Sie finden hier Presseberichte zu unserer Produktion "Romeo und Julia".
Weitere Informationen zum Projekt und Berichte zu anderen Produktionen finden Sie auch im Archiv.
27. Apr. 2009
Aachener Zeitung
ZDF zeigt Theater aus dem Ostviertel
Aachen. Das ZDF zeigt zum Auftakt einer Aktionswoche zum Thema Integration einen Beitrag über eine
Shakespeare-Inszenierung aus dem Aachener Ostviertel. Am Wochenende gingen die Dreharbeiten im Kennedypark über die Bühne. Das TV-Team zeigte sich begeistert.
„Aachen Ost“ erobert die Nation
ZDF dreht einen Beitrag über die gemeinsame Shakespeare-Inszenierung von „Theaterausbruch“ und Stadttheater. Er soll zum Start einer
Aktionswoche zum Thema Integration im „Zweiten“ gezeigt werden.
Von Christoph Classen
Aachen.
Hinter den Kulissen kommt der Zucker direkt aus der Tüte. Umgerührt wird mit viel zu großen Plastiklöffeln, die Kaffeebecher gleichen einem Ensemble aus Individualisten. Vieles wirkt improvisiert in der ehemaligen Rheinnadelfabrik am Reichsweg. Und trotzdem wird Wolfgang Buschfort einem später zuflüstern, dass er noch nie einen Dreh hatte, der so gut vorbereitet war.
Die Industriebrache ist die Spielstätte des „Theaterausbruch“, Buschfort ist freier Mitarbeiter des ZDF. Er möchte einen Beitrag
drehen über das Projekt Aachen-Ost. So nennt sich die Kooperation zwischen „Theater ausbruch“ und Stadttheater, die derzeit sehr erfolgreich „Romeo und Julia“ in einer aktualisierten Fassung
präsentieren.
„Ein bisschen rumlaufen“
Das ZDF möchte den Beitrag zum Auftakt einer Aktionswoche zum Thema Integration ausstrahlen. Fünf Minuten wird er lang sein, das
sei vergleichsweise viel, sagt Buschfort. Der Dreh nimmt fast den ganzen Tag in Anspruch. Gerade ist das TV-Team im Kennedypark unterwegs, wo einige Ensemblemitglieder interviewt werden. Er
möchte keinen statischen Beitrag, die Leute sollten ein bisschen rumlaufen, begründet Buschfort.
Hinter
den Kulissen der Spielstätte treffen derweil weitere Schauspieler ein. Sie trinken Kaffee, flachsen. Alexander Milz, der den Romeo gibt, hat sich einen Döner mitgebracht. Er spricht über
Bewerbungen an Schauspielschulen. „Da muss ich mir aber noch einige Monologe reinhauen“, sagt Milz und beißt in seinen Döner. Irgendjemand fragt nach Nervosität. Die jungen Schauspieler nicken
stumm, mit Kameras haben sie wenig Erfahrung.
Buschfort ist mit Kameramann und Tontechniker mittlerweile auch wieder eingetroffen. Das Trio vom
Zweiten schlägt zu, es gibt Kartoffelsalat und Brötchen. Buschfort sitzt gegenüber der Pinnwand, auf der die Schauspieler die Zeitungsberichte über ihre Inszenierungen gesammelt haben. Die
Kritiken waren glänzend, sogar das ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin hat vom Projekt Wind bekommen. Das hat den Dreh nämlich in Auftrag gegeben.
Buschfort entsorgt Teller und Besteck in einen Müllsack und reibt sich die Hände. Es geht weiter.
Jetzt soll Hedda Schieren, die Benvolio spielt, interviewt werden, während sie in der Maske sitzt. Die Aufnahme läuft, und Buschfort fragt, was ihr das Stück neben einer Menge Arbeit denn bringe.
Viel Spaß und viele neue Freunde, sagt Hedda Schieren. Die Maske ist jetzt fast perfekt. Mazdak Tavassoli wird interviewt, während er sich für die Bühne umzieht. Das wirkt authentisch. Ob sich
sein Verhältnis zu Deutschen durch das Stück verändert habe, fragt Buchfort aus dem Off. „Ein wenig“, sagt Tavassoli, der als Gregoris auf der Bühne steht.
Zum
Schluss möchte das ZDF noch einige Aufnahmen aus dem Stück. Weil das erst abends beginnt, geben die Schauspieler eine Extravorstellung. Stadttheater-Dramaturg Lukas Popovic und
„Ausbruch“-Regisseur Martin Goltsch machen dem TV-Team gestenreich Vorschläge, wie das Ganze am besten ins Bild gesetzt werden kann. Die Fernsehleute hören sich das mit verschränkten Armen an,
und das ist der Moment, in dem Buschfort flüstert, dass er noch nie einen so gut vorbereiteten Dreh hatte. Martin Goltsch gibt seinem Ensemble noch einen Tipp: „Spielt so, als ob es eine echte
Aufführung wäre.“
„Romeo und Julia“ als Paradebeispiel für kreative Integration:
ZDF-Mitarbeiter Wolfgang Buschfort interviewte Darstellerin Pinar Camkiran und Regisseur Martin Goltsch vom „Theater ausbruch“. Foto: Andreas Herrmann
13.03.2009
Aachener Nachrichten
Die Realität spielt mit
Junge Menschen aus dem Ostviertel bringen in der Rheinnadelfabrik am Reichsweg erneut das Erfolgsstück „Romeo und Julia“ auf die Bühne
Von Martina Stöhr
Aachen. Bis vor Kurzem noch war ungewiss, ob es zu einer Neuauflage von „Romeo und Julia“ kommen würde. Doch jetzt ist klar: Der
überwältigende Erfolg im vergangenen Jahr wird ein Nachspiel haben: Das Theaterprojekt mit jungen Menschen aus dem Ostviertel kommt erneut auf die Bühne, mit zum Teil neuer Besetzung.
„Die Arbeit mit den jungen Menschen aus dem Ostviertel gestaltet sich nicht immer einfach“, sagt
Martin Goltsch, der für die Inszenierung verantwortlich ist. Er und sein Team hatten eine Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden, bevor sie sicher sein konnten, dass es auch diesmal klappt mit
der Premiere.
Die schwierigen Lebensverhältnisse der Schauspieler aus dem Ostviertel bringen den Probenplan immer
mal wieder ins Wanken, und die Arbeit in der multikulturellen Gruppe wird nicht selten zu einer gruppendynamischen Achterbahnfahrt, so die Verantwortlichen. Und denen geht es in erster Linie um
das künstlerische Ergebnis: dass das Projekt auch eine „erzieherische“ Komponente hat, ist für sie in erster Linie eine Begleiterscheinung – wenn auch eine durchaus
willkommene.
Explosives Gemisch
Der
Shakespeare-Stoff dient als Vorlage für eine Inszenierung, in der sich das Leben und die Erfahrungen der jungen Leute aus dem Ostviertel spiegeln. Die Türkin Julia Capulet und der Deutsche Romeo
Montague verlieben sich und beginnen eine berührende Reise durch die jeweils andere Kultur.
Julias
Bruder setzt alles daran, die Liebenden auseinanderzubringen. Bei einem nächtlichen Kampf eskaliert die Situation und mündet in einem explosiven Gemisch aus Angst, Rache, Ehre und Flucht. Was es
heißt, wenn unterschiedliche Nationalitäten aufeinandertreffen und sich bis aufs Messer bekämpfen, das wissen die jungen Leute aus dem Ostviertel zum Teil aus eigener Erfahrung.
Goltsch nimmt ihre Anregungen entsprechend ernst, und die Dialoge reflektieren ihren Jargon. Immer
wieder wurde improvisiert, wurden Texte neu geschrieben und dann wieder verworfen. Ein zwar mühsames, aber sehr fruchtbares Unterfangen, so Goltsch.
Die türkische Julia und der deutsche Romeo
lieben sich zwar nur auf der Bühne, also nur zum Schein, dennoch sei es nicht leicht gewesen, eine türkische Darstellerin für die Julia zu finden. Immerhin müsse sie ihren Romeo ja küssen – und
das gehe vielen muslimischen Vätern entschieden zu weit, meint Martin Goltsch. Er selbst sei bei der Inszenierung des Stückes an Grenzen gestoßen, von deren Existenz er nicht einmal etwas geahnt
habe, sagt er.
Unbekannte Facetten
Auch den jungen Schauspielern eröffnen die Proben eine neue Welt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn inzwischen sind sie
auch über Aachen hinaus gefragt. „Es schlummert mehr in einem, als man denkt“, sagt Armiti Fasihzadeh, die Julias Vertraute und die Freundin ihres Bruders spielt. „Man entdeckt Facetten an sich,
die man gar nicht kannte“, fügt sie hinzu. „Ich habe Freunde gefunden, mit denen ich Spaß habe. Das alles ist eine unbezahlbare Erfahrung“, meint Tamer Celtek, einer der „Capulets“. Und Alexander
Milz (Romeo) findet es beeindruckend, vor hundert Leuten zu stehen und dazu beizutragen, dass „sie Spaß haben und ihren Alltag für eine kleine Weile vergessen“.
Ein Erfolgsstück wird erneut aufgeführt: In einer modernisierten Fassung von Shakespeares „Romeo und Julia“ sind Alexander
Milz und Pinar Camkiran in der Rheinnadelfabrik zu erleben.
Foto: Heike Lachmann
Premiere ist am 21. März
Die Premiere der Wiederaufnahme von „Romeo und Julia“ ist am Samstag, 21. März, um 20 Uhr in der Rheinnadelfabrik, Reichsweg 19-42, Tor 3. Weitere Aufführungen am 28. März sowie am
3., 4., 17., 18. und 24. April jeweils um 20 Uhr.
Die Inszenierung von Martin Goltsch entstand in einer Kooperation von Theater Aachen und Theater-Ausbruch.
Dramaturgie: Lukas Popovic, pädagogische Leitung: Brigitte Köhr.
Karten für die Zusatzvorstellungen sind ab sofort im Theater Aachen erhältlich.
11.03.2009
Aachener Zeitung
Rechte Schläger gegen Türkenbanden
Neue Inszenierung von “Romeo und Julia” vom Theaterprojekt
“Aachen-Ost”
Von
Robert Flader
Aachen. Wer kennt ihn nicht, Shakespeares Klassiker “Romeo und Julia”? In verschiedensten Versionen und auf unterschiedlichsten
Bühnen dieser Welt ist das Stück in den letzten Jahrhunderten schon gelaufen. So auch in Aachen, als die Tragödie Ende letzten Jahres von Regisseur Martin Goltsch und Dramaturg Lukas Popovic im
Rahmen des Aachener Theaterprojekts “Aachen-Ost” umgestaltet und auf die sozialen Brennpunkte der Stadt, hier insbesondere das Ostviertel, bezogen wurde. “Die Basisthemen des Klassikers sind gut
übertragbar auf das Viertel”, so Goltsch. “Die zentrale Frage war, welche Probleme es hier im Viertel gibt und wie man sie auf der Bühne darstellen kann.” Der Kampf der Montagues und
Capulets aus Shakespeares Klassiker wird hier zwischen Rechten und Türken ausgetragen, zwischen gleichermaßen uneinsichtigen und von Vorurteilen getriebenen Schlägern und perspektivlosen
Draufgängern. Interkultureller Dialog und Miteinander sind für die beiden Gruppen absolute Fremdwörter, der Umgangston auch innerhalb der Clans dementsprechend aggressiv. Mitten in den
chaotischen Straßenkämpfen steht die Liebe zwischen Romeo (gespielt von Alexander Milz) und Julia (Pinar Camkiran) - beide Mitglieder der verfeindeten Banden und die einzigen, die der Gewalt
entfliehen wollen und einen gleichermaßen leidenschaftlichen wie schweren Kampf für eine gemeinsame Zukunft führen.
Viele Zuschauer
Die Inszenierung im letzten Jahr wurde bereits ein voller Erfolg, alle Aufführungen waren in kürzester Zeit ausverkauft, auch für
die neuen Vorstellungen erwartet Goltsch viele Zuschauer: “Die Resonanz der letzten Inszenierung bestärkt uns in unserem Vorhaben, die Defizite des Viertels, die gleichzeitig auch viele
Potentiale offenbaren, auf der Bühne darzustellen. Die Zuschauernachfrage ist dementsprechend nach wie vor riesengroß.” Und so soll es im Laufe des Jahres auch mindestens noch eine dritte
Produktion geben.
Die Adaption der Tragödie erschöpft sich jedenfalls nicht in einem verbalen und gewalttätigen Gegenentwurf zum Werk Shakespeares.
Die Themen Gewalt, Bandenbildung und multikulturelle Konflikte sind zwar die bestimmenden Probleme im aktuellen Theaterprojekt. Doch sollen durch den interkulturellen Dialog auch Lösungen
aufgezeigt werden. Goltsch: “Wir wollen dem Publikum mit unseren Aufführungen diese Probleme näherbringen und zum Nachdenken anregen.”
Schließlich soll die Inszenierung auch zu einer verstärkten interkulturellen Verständigung beitragen.
Die Premiere von Shakespeares “Romeo und Julia”-Adaption findet am Samstag, 21.März, in den Industrieräumen der Firma Rhein-Nadel
am Reichsweg statt. Beginn der Vorführung ist um 20.00 Uhr. Weitere Aufführungen finden noch am 28.März, 3., 4., 17., 18., 24.April sowie am 2., 3., 8., 9., 15., 22. und 23.Mai statt.
25. 02. 2009
Aachener Nachrichten/ Aachener Zeitung
Kultur-Tipp
Zusatzvorstellungen „Romeo und Julia“
Aachen. Aufgrund der großen Nachfrage bietet das Theater Aachen Zusatzvorstellungen für die
Produktion „Romeo und Julia“ an. Vorlage ist Shakespeares Klassiker, den Regisseur Martin Goltsch zeitgemäß umgesetzt hat. Die Konflikte zwischen und innerhalb zweier Familienclans (hier eine
türkische und eine deutsche Familie), die durch die Liebe zweier junger Menschen entstehen, die aus gesellschaftlichen Zwängen nicht zueinander finden dürfen, sind täglich präsent. Die
Inszenierung mit dem Ensemble Aachen-Ost wird am 21. und 28. März, am 3., 4., 17., 18. und 24. April jeweils um 20 Uhr auf dem Gelände der Aachener Firma Rhein-Nadel, Reichsweg 19-42, zu sehen
sein.
KLENKES – Stadtillustrierte Aachen, 11/2008
„Romeo und Julia“ im Stil Aachen-Ost am Reichsweg. Capulets gegen Montagues heißt hier Türken gegen Deutsche. Regisseur Martin Goltsch lädt alle ein, „die Dame mit der Perlenkette genauso wie junge
Leute aus dem Viertel“. Bei der Premiere gab´s tosenden Applaus für ihn, für die aus dem Viertel rekrutierten Schauspieler und für Dramaturg Lukas Popovic vom Theater Aachen.
Shakespeare auf Aachen-Ost
Shakespeare auf Aachen-Ost
Schauspiel von William Shakespeare
Aachen-Ost ist nicht
Verona und die Hallen der Firma Rheinnadel am Reichsweg haben keinen Balkon. Doch genau hierher platziert Regisseur Martin Goltsch sein „Romeo & Julia“. Hier leben seine Capulets und
Montagues, die deutschen und türkischen Jugendlichen. Abgewrackte Wände, Stahltüren und Gitter erzeugen Kälte und kein bisschen Heimeligkeit.
Anführer der Gang der Deutschen ist Mercutio. Der durch und durch schmierige Mercutio (Willi Ezilius)
liebt Pornos, dreckige Witze und Schlägereien. Die Türken überzeichnet Goltsch ebenso mittels übertriebener Klischees. Der kleine schmierige Paris (Tamer Celtek) hat viel Geld und läuft in
übergroßem Jackett breitbeinig umher. Julias Bruder Tybalt (Ali Serttürk) popelt in der Nase, hat Angst einflößende Muskeln und ist der Pascha schlechthin. Die Schauspieler sind allesamt
Laienschauspieler, hinter den Charakteren der Capulets stecken türkische Darsteller, die auch auf türkisch reden und debattieren, Gestik und Mimik sind authentisch nah am Leben, Rolle und
Schauspieler scheinen zu verschmelzen. Julia (Pinar Camkiran) berichtet ihrer deutschen Freundin Emma von türkischen Werten, Tradition und Familie.
Beide
Gruppen sind von tiefem Hass erfüllt. So gut wie nie wird der Grund für diese Feindseligkeiten thematisiert, sie sind einfach da, und gerade diese Grundlosigkeit macht den Streit so beängstigend.
Petra Grotenklas tritt als Sozialarbeiterin auf und kann auch nichts ändern. Ihre Ratschläge, Sport zu treiben, Spiele zu spielen, um von der Straße wegzukommen, wirken mindestens genauso
lächerlich wie die pseudo-ambitionierten Reaktionen der Jugendlichen: "Ich such schon nen Job, ne", schildert Mercutio seine Lebenssituation.
Die
Liebe zwischen Romeo und Julia ist gefährlich, sie sind die einzigen, denen Nationalität egal ist, die pathetisch für ihre Liebe kämpfen. Vor allem Alexander Milz überzeugt als Romeo, sprachlich
als auch schauspielerisch. Die Spannungen, von denen ihre Treffen geprägt sind, übertragen sich eins zu eins auf den Zuschauer, ständig herrscht Angst vor der nächsten Eskalation, der nächsten
Messerstecherei.
Sicher spielt bei dem gemeinsamen Projekt von THEATERausBruch und Theater Aachen der soziale Aspekt
eine zentrale Rolle. In seiner "Romeo & Julia"-Version zeigt Goltsch die Problemsituation in sozialen Brennpunkten auf, die es vor allem auch in Aachens Ostviertel gibt. Und seine
Schauspieler stammen zum großen Teil aus den Problemgebieten. „Die Vorlage zu Romeo und Julia beinhaltet viel, was Konflikte ausmacht, Liebe und Gewalt“, so Goltsch. Brigitte Köhr begleitet das
ganze Projekt pädagogisch, kümmert sich um die Menschen, die hinter den Schauspielern stehen.
Die
Mischung aus erschreckender Authentizität und erstaunlich hohem künstlerischen Niveau macht "Romeo und Julia" zu einem hundertprozentig empfehlenswerten Stück, das ohne Frage mehr Gesprächsstoff
erzeugt als jede klassische Version.
Barbara Taxhet
20.Okt. 2008
Aachener Nachrichten/Aachener Zeitung
Verlierer stehen gegen Verlierer
Das Theaterprojekt
„Aachen-Ost“ adaptiert Shakespeares „Romeo und Julia“
Von Jan Mönch
Aachen. Es wäre fast schon wieder originell, Shakespeares „Romeo und Julia“ vor den authentischen Kulissen der italienischen
Renaissance auf die Bretter zu bringen. Wurde der Stoff doch schon verlegt in die Schweiz des vorletzten, ins New York des vergangenen oder ins San Francisco des laufenden Jahrhunderts, adaptiert
fürs Ballett, fürs Musical und selbst fürs amerikanische Actionkino. Doch Martin Goltsch (Inszenierung) und Lukas Popovic (Dramaturgie) haben es im Rahmen des Projekts „Aachen-Ost“ des Aachener
Theaters verstanden, die berühmteste Tragödie der Weltliteratur auf den sozialen Brennpunkt der Stadt zuzuschneiden. Namentlich wird dieser zwar nicht genannt. Doch wenn die verbotene Liebe sich
zwischen Mitgliedern perspektivloser Jugendgangs abspielt und von jungen Darstellern aus ebendiesem Stadtteil dargeboten wird, ist der Hintergedanke offensichtlich – jedes Mitglied des
spielfreudigen Ensembles zeigt ein Stück weit auch sich selbst und sein eigenes Leben.
Der Kampf zwischen den Montagues und Capulets ist hier der von Türken gegen Rechte, von
„Kanaken“ gegen „Kartoffeln“ – von Verlierern gegen Verlierer. Entsprechend ruppig zurechtgestutzt wurden die Zeilen der Vorlage. „Wieso muss dieses Arschloch mir auch seine Fresse gegen die
Faust rammen“, heißt es. Oder: „Mit denen reden? Klar, wir sagen ,Verpiss dich, Kanake’.“
Doch
die Adaption begnügt sich nicht mit einem verbalen Gegenentwurf zum Werk des Sprachvirtuosen Shakespeare, der aktuelle Bezug erschöpft sich nicht in der Sprache der Straße. Hier werden im
deutschen Milieu anzutreffende Stereotypen zur vermeintlichen Ausländerproblematik ebenso aufgegriffen wie Zwangsehen im türkischen. Bevor der Bezug zur Aktualität im letzten Viertel dann doch
etwas verloren geht, streift das Skript noch die Themen Jugendarbeitslosigkeit und Kameraüberwachung.
Dementsprechend fällt die Umzeichnung der Charaktere aus. Mercutio (Willi Ezilius) ist ein versoffener
Schläger mit Faible für Pornographie, Paris (Tamer Celtek) ein schmieriger Ludentyp, Lorenzo (André Schülke) ein Spelunkenwirt, der nur ironisch als „Priester“ bezeichnet wird. Einzig Romeo
(Alexander Milz) und Julia (Pinar Camkiran) wollen der Gewalt entfliehen. Und darin sind sich wohl alle Interpretationen gleich. Vom Musical bis zum Actionkino, von San Francisco bis
Aachen-Ost.
25. September 2008
Aachener Nachrichten
Alte Liebesgeschichte, aktuelle Probleme
Das Projekt von Theater Aachen und von „Theaterausbruch“ katapultiert
den Shakespeare-Klassiker „Romeo und Julia“ eindrucksvoll ins 21. Jahrhundert. Beeindruckend gute Schauspielarbeit. Premiere ist am 18. Oktober.
Von Sabine Busse
Aachen.
Im Allgemeinen soll eine Kostprobe Appetit machen – diese produzierte Heißhunger: Das „Theaterausbruch“ aus dem Ostviertel hat
sich in einem gemeinsamen Projekt mit dem Theater Aachen den Shakespeare-Klassiker „Romeo und Julia“ vorgenommen. In einer beeindruckenden Kostprobe zeigten sie jetzt den Stand ihrer Probenarbeit
und begeisterten damit das Publikum.
Das war vor allem neugierig in den Reichsweg gekommen, denn bei dieser Produktion ist vieles anders,
als es Theaterbesucher gewohnt sind. Als Spielstätte dient eine ehemalige Lagerhalle der Firma Rheinnadel. Die Schauspieler sind im richtigen Leben Schüler, Gärtner, Techniker oder
Gebäudereiniger. Und sie wohnen im Ostviertel oder haben eine enge Beziehung zu dem Stadtteil, dem offiziell ein besonderer Erneuerungsbedarf bescheinigt wird. Ihre Version der tragischen
Liebesgeschichte, die an der Feindschaft der beiden Familien von Romeo und Julia zerbricht, ist ungemein dicht und authentisch.
Regisseur Martin Goltsch lässt seine Protagonisten keine Originaltexte aufsagen. Er hat seine
Fassung konsequent in die Jetztzeit transferiert: Der Clan Julias, die Capulets, sind Türken, und der deutsche Romeo gehört zu den streitbaren Montagues. Wann immer die beiden Gruppen aufeinander
treffen, gibt es Zoff. Vor allem der arbeitslose Mercutio und seine Kumpels provozieren die Türken gerne, um etwas Abwechslung in ihr Leben zu bringen. Dabei geht es verbal drastisch und alles
andere als politisch korrekt zu.
Großer Knall
Als eine rührend bemühte Sozialarbeiterin zu schlichten versucht und beide Gruppen zum Fest der Kulturen einlädt, kommt es zum
großen Knall. Aber auch zur ersten Begegnung von Romeo und Julia. Beide sind fasziniert voneinander.
An
dieser Stelle endete die Kostprobe, die die Zuschauer räumlich und gedanklich mitten in die Problematik des Viertels und seiner jugendlichen Bewohner geholt hatte. Laut Martin Goltsch und Lukas
Popovic, vom Theater Aachen, war es nicht einfach, die Rollen zu besetzen, schließlich kommen hier aktuelle Konfliktthemen auf die Bühne. Trotzdem ist es den Initiatoren gelungen. Und es macht
Spaß, der Truppe bei den tollen Tanzeinlagen zuzusehen. Zudem löst ihre beeindruckend gute Schauspielarbeit echte Betroffenheit aus. Etwa, wenn das Dilemma der türkischen Jugendlichen deutlich
wird, die zwischen den Vorgaben ihrer Kultur und dem hiesigen Alltag stehen. Oder die Mutlosigkeit ihrer deutschen Altersgenossen, für die der wöchentliche Lottoschein die einzige Investition in
die Zukunft ist.
Dieses Aachen-Ost-Projekt ist bereits das zweite seiner Art. Vor zwei Jahren inszenierte das
„Theaterausbruch“ Schillers Räuber. Die Romeo-und-Julia-Produktion wird unterstützt von dem Stadtteilbüro Aachen-Ost, der deutsch-türkischen Gesellschaft Eurotürk sowie DITB, der
Türkisch-Islamischen Gemeinde.
Es gibt also viele sozial motivierte Gründe, das Theaterstück zu besuchen. Der Wunsch, eine aktuelle
und vielschichtige Version des Klassikers von einer ungemein spielfreudigen Truppe zu sehen, reicht aber auch.
16.Oktober 2008
Aachener Zeitung
Romeo und Julia, eine Liebe auf Türkisch
Shakespeares Klassiker in der alten Nadelfabrik am Reichweg auf der Bühne. Enorme Resonanz.
Von Jutta
Katsaitis-Schmitz
Aachen. Die berühmteste Liebesgeschichte der
Weltliteratur, „Romeo und Julia“ von William Shakespeare, bietet die Vorlage für eine gleichnamige Inszenierung durch das Projekt „Aachen-Ost“. Nach einjähriger Vorbereitungszeit bringen das
Theater Aachen und das „Theater Ausbruch“ jetzt in den Räumen der Firma Rhein-Nadel am Reichweg (Eingang Tor 3) die romantisch-dramatische Liebesgeschichte von „Romeo und Julia“ auf die Bühne.
Premiere ist Samstag, 18.Oktober, 20.00 Uhr.
In der Regie von Marttin
Goltsch (Theater Ausbruch), der auch den Text modernisierte und die Handlung in die Gegenwart versetzte, spielt das junge Aachen-Ost-Ensemble. Alle 17 Schauspieler sind Laien, haben
unterschiedliche Nationalitäten und sind eng mit dem Ostviertel verbunden. „Wir haben beispielsweise einige Spieler beim Multi-Kulti-Fest im Kennedypark kennengelernt“, berichtete Goltsch.
Unterstützung gab es durch das Stadtteilbüro Ost, die deutsch-türkische Gesellschaft Eurotürk und die Türkisch-Islamische Gemeinde Aachen.
So gelang es auch, die Rollen der beiden verfeindeten Familienclans, die der Capulets nur mit
türkischen und die der Montagues nur mit deutschen Darstellern zu besetzen. Julia Capulet wird von der jungen Türkin Pinar Camciran gespielt und Romeo Montague von Alexander Milz.
Die beiden Debütanten versuchen mit großem Einfühlungsvermögen, die Konfliktsituation aufzuzeigen, die durch ihre Liebe für
einander entsteht, da sie aus gesellschaftlichen Zwängen nicht zu einander finden dürfen, was letztendlich zu furchtbaren Konsequenzen führt.
Man versteht auch ohne Worte
Es gibt Szenen, in denen ausschließlich Türkisch gesprochen wird. „Die Körpersprache der Schauspieler aber ist derart authentisch,
dass sie transparent wird und der Zuschauer das Gesprochene unweigerlich versteht“, so Lukas Popovic vom Theater Aachen, der für Dramaturgie und Equipment verantwortlich zeichnet. Es ist bereits
die zweite Kooperation beider Theater. In der Spielzeit 2006/07 wurde das Projekt Aachen-Ost erfolgreich mit dem Klassiker von Friedrich Schiller „Die Räuber“ gestartet. Auch damals in einer
zeitgemäßen Umsetzung. Aufgrund dieses Erfolges ist die Kartennachfrage auch für „Romeo und Julia“ so groß, dass alle zunächst angesetzten Aufführungen ausverkauft waren und weitere Termine
angesetzt wurden.
1. September 2008
Aachener Nachrichten - Aachener Zeitung
Eine flotte Revue mit Glanz und Glitzer
Gala zum Auftakt der Saison 2008/2009 im Theater Aachen mit vielen
Überraschungen. Nach buntem Programm das Feuerwerk.
Von Grit
Schorn
Aachen. Nach dem quirligen Theaterfest bei schönstem Sommerwetter wurde Samstagabend noch ein Sahnehäubchen serviert: Eine glamouröse Show voll Temperament und Witz fegte
über die renovierte Bühne des Theaters Aachen. Der Doppel-Moderation von zwei Teams hätte es gar nicht bedurft, um das interessierte Publikum in Scharen ins Große Haus zu locken. Nebst einiger
Einblicke ins neue Programm „Radikal sehnsüchtig“ begeisterte eine schmissige Revue mit Glanz und Glitzer die Zuschauer aller Altersgruppen.
Ganz wie in amerikanischen Revuefilmen präsentierten sich die Freitreppe mit rot loderndem Hintergrund und die kleine aber feine
„Big Band“ des Theaters Aachen. Am Flügel wechselten sich Daniel Jakobi, stellvertretender Generalmusikdirektor, und der Musiker Malcolm Kemp ab. Sebastian Stert und Neuzugang Stefanie Dischinger
agierten elegant als charmante Gastgeber. Auf einer „vergoldeten“ roten Couch (auf der Bühne) durften die Bingo-Gewinner vom vorangegangenen Theaterfest Platz nehmen.
Spritzig auch das abendliche Gala-Programm, das etliche Höhepunkte bereithielt. Generalintendant Michael Schmitz-Aufterbeck
verwies in seiner launigen Begrüßung stolz auf die Renovierungserfolge im Hause -– selbst die Toiletten im Foyer erstrahlen in neuem Glanze. Gut aufgelegte Schauspieler und Sänger gaben sich ein
munteres Stelldichein, das zwischen Musical, Dramatik, Pop und Oper pendelte.
Besonders gut kam die wunderbare Julia Brettschneider als freche Plüschhäsin an, ein köstlicher „running gag“ der Mimin und
Puppenspielerin. Mélanie Forgerons samtiger Mezzo triumphierte mit einem Lied aus Verdis frühem Kompositionswerk, Iva Danova hielt das begeisterte Publikum mit einer Arie aus Tschaikowskis
„Jeanne d’Arc“ in Atem.
Ganz besondere Orte
Der Schauspieler Joey Zimmermann schmachtete italienisch „Ancora tu“ nach Lucio Battistis Oldie, und Neuzugang Sung-Jin Kim
stellte sich mit Mozarts „Zauberflöte“ vor. Karsten Meyer und Neuzugang Torsten Borm stimmten das Publikum eindrucksvoll auf die Inszenierung von Brechts „Dreigroschenoper“ ein: „Soldaten wohnen
auf den Kanonen . . .“
Ein besonderer Höhepunkt war die faszinierende Szene aus einer aktuellen „Romeo und Julia“-Version aus Aachens Osten.
Die Koproduktion von Theater Aachen und der freien Gruppe „Theaterausbruch“ kommt im Herbst an ungewöhnlichem Ort zur Aufführung:
Auf dem Gelände der Firma Rheinnadel. Es geht erneut um den Zusammenprall zweier Gruppen. Waren es bei Shakespeare noch zwei verfeindete Familien, die die Liebe ihrer Kinder mit allen Mitteln
verhindern wollen, stehen sich hier zwei unterschiedliche Kulturen gegenüber: die deutsche und die türkische Jugendszene. Die hervorragend choreografierte Kostprobe imponierte mit einer rasanten
Szene, die die gefährliche Brisanz in atemberaubenden Rap und Breakdance umsetzt.
Hinreißend auch Markus Haase mit Udo Lindenbergs „Alles klar auf der Andrea Doria“ und Eva Bernard, unter anderem mit Irving
Berlins „There ’s no business like showbusiness!“ Toller Applaus mit anschließendem Feuerwerk auf dem Theatervorplatz und dann für alle, die noch Lust auf mehr hatten:
Partytime!
Aachener Zeitung, 07.09.2007
Wer spielt mit bei «Romeo und Julia»?
Von unserer Mitarbeiterin Grit Schorn
Aachen. Vor
einem Jahr trieben sie im stillgelegten Stawag-Umspannwerk ihr Unwesen: In einer Koproduktion zwischen Theater Aachen und dem freien Ensemble Theater Ausbruch tobten «Die Räuber» nach Friedrich
Schiller höchst erfolgreich über die ungewöhnliche Bühne. Theater-Ausbruch-Regisseur Martin Goltsch hatte es - nicht zum ersten Mal - verstanden, junge und ältere Menschen aus Aachens Osten für
eine Aufführung der besonderen Art einzubinden.
Jetzt geht es wieder auf «Spurensuche zu den Lebensträumen und -ängsten heutiger junger Menschen, die zwischen familiären Konflikten, Vorurteilen und Gewalt ihre bedrohte Zukunft
suchen», berichtet Martin Goltsch, der - wiederum gemeinsam mit Lukas Popovic, Dramaturg am Theater Aachen, und der Sozialpädagogin Brigitte Köhr - erneut ein Theaterprojekt Aachen-Ost an einem
ungewöhnlichen Spielort realisieren will.
Gefördert wird das Projekt von der Stadt Aachen. Am Samstag, 8. September, findet im Mörgens um 14 Uhr ein Casting statt, zu dem
junge Erwachsene und auch Ältere aus Aachen-Ost eingeladen sind. Theatererfahrung ist nicht nötig, aber Durchhaltevermögen und Interesse, in einem Team über einige Monate hinweg ein Bühnenstück
bis zur Aufführungsreife zu bringen, als Darsteller oder auch anderweitig. Die Theatermacher wünschen sich zudem auch Vereine und Institutionen, die für eine größere Öffentlichkeit des Projekts
sorgen könnten.
Mit einer aktualisierten Fassung von Shakespeares «Romeo und Julia» soll, wie schon bei den «Räubern», wirkungsvoll ein theatraler
Konfliktstoff mit den Problemen heutiger Jugendlicher verknüpft werden. Doch wer darin nur eine kulturpolitische und sozialpädagogische «Versuchsanordnung» sieht, der irrt. Auch Dramaturg Lukas
Popovic war damals skeptisch, doch die künstlerische und ergebnisorientierte Zusammenarbeit bei dem Schiller-Stück hat ihn überzeugt. «Ich selbst habe auch viel dabei gelernt», gibt der erfahrene
Theatermann zu.
Besonders spannend werde «Romeo und Julia» schon deswegen, so Goltsch und Köhr, weil das Problem der verfeindeten Familien-Clans
nicht nur Shakespeare beschäftigte, sondern in anderer Weise auch bei den jungen Leuten im Ostviertel eine Rolle spielen könne. «Was würden zum Beispiel türkische Eltern sagen, wenn ihre Tochter
einen Deutschen heiraten will? Oder umgekehrt?», fragt sich Regisseur Goltsch. Er hofft auf viele türkische, russische oder deutsche Bewerber.
Shakespeares unsterbliches Liebespaar soll sich im «Hier und Jetzt» bewegen, eventuell sogar zweisprachig aufgeführt werden.
Pädagogisch betreut und unterstützt werden die Bühnen-Neulinge während des Projekts von Brigitte Köhr, die schon mehrfach junge Mitspieler umsorgte. «Arbeitslose haben durch die Theaterarbeit oft
eine Stabilisierung erfahren, die man kaum für möglich hielt. Und häufig winkte danach sogar eine Arbeitsstelle», erzählt die Sozialpädagogin.
Martin Goltsch betont noch einmal: «Das künstlerische Ergebnis ist wichtig.» Also im Klartext: Junge Frauen und Männer sind
gefragt, die sich was zutrauen, was sie (noch) nicht kennen. Taffes Beispiel ist Willi Ezilius, der nach einiger Bühnenerfahrung letztes Jahr den «Räuber» Karl Moor spielte. Jetzt hat er im
Theater Teppiche verlegt und seinen Nachwuchs hat er Lukas genannt, nach Dramaturg Lukas Popovic, der sich sehr geehrt fühlte.