Sie finden hier Presseberichte zu unserer Produktion "Baal".
Weitere Informationen zum Projekt und Berichte zu anderen Produktionen finden Sie auch im Archiv.
Aachener Nachrichten/ Aachener Zeitung;
Kultur; 13.12.2010
Brechts „Baal“: Projekt A zeigt starkes Stück
Gewalttätiger «Baal», der sich keiner Schuld bewusst ist
Von Peter Motz
Aachen. Baal ist böse, keine Frage. Die Frage, weshalb alle «bäh» sagen und ihm dennoch verfallen, beantwortet Autor Bertolt Brecht nicht. Das Aachener Ensemble Projekt A liefert auch keine
Antwort - aber das mit aller Konsequenz.
Stürmisch walzt Baal hier alles und alle nieder, Feind, Freund und sich selbst. Regisseur Martin Goltsch pickt assoziativ die expressionistischen Naturmotive aus der Textvorlage und komponiert
multimedial ein hypnotisches Bild menschlicher Getriebenheit. In Videoprojektionen drehen sich Windräder, wiegen sich Pflanzen im Wind (Film: Luca Fois). Leitmotivisch vertonen David Bowies «Wild
ist the Wind» und King Crimsons «I talk to the Wind» das Delirium des Trinkers Baals. Das wirkt.
Vor allem, weil Schauspieler Willi Ezilius dieses Bild bricht und seinen Baal eben nicht wie in Trance handeln lässt. Seine geistig wie körperlich brutale Rollenanlage lässt weder Platz für
Mitleid noch für Interesse an sozialpädagogischer Erklärung. Dieser Baal ist raumfüllend, überall präsent und sich seiner Schuld bewusst.
Doch wer ist dieser Baal überhaupt? An diesem Punkt wird die Aufführung (Dramaturgie: Lukas Popovic, pädagogische Begleitung: Brigitte Köhr) so richtig spannend. Denn vor allem der Schluss dieser
Inszenierung lässt Raum für Interpretation. Baal, zuvor zwei Stunden lang gezeigt als Fleisch gewordene dumme Gedanken, ritzt sich die Brust auf, sinkt wie ein gefühlloses Monster
nieder.
Ein Monster, das in jedem steckt? Kurz zuvor hat Baal auf der Bühne seinen Freund Ekart getötet, während nun im Video Ekart den toten Baal zudeckt.
Dem Projekt A - das, vereinfacht beschrieben, eine Art integratives Kiez-Theater ist - gelingt eine vehemente und sehenswerte Inszenierung des kniffligen Baal-Stoffes. Rund zwanzig Amateure
zeigen bei der Koproduktion von «TheaterausBruch» und Theater Aachen ihr Können: Beispielhaft sei das vor allem mimisch sehr berührende Spiel von Stefan Dantchev (Ekart) angeführt. Das Publikum
zollte dem großen Team, das Akteure aller Altersstufen umfasst, seinen Respekt mit stehendem Premieren-Applaus.
Übrigens: Das Schauspiel wird in einem leer stehenden Drogeriemarkt aufgeführt. Der Raum gehörte in den 1970er Jahren zur benachbarten Gaststätte «Lindenhof» und wurde damals vom Stadttheater für
Betriebsfeiern genutzt. Jetzt wird dieser Ort neu belebt.
Die Frauen sind Baal verfallen, aber was fasziniert sie bloß an diesem Ekel?
Willi Ezilius und Celina Baluch sind in den Hauptrollen zu sehen.
Klenkes
Stadtmagazin Aachen
-Ausgabe Januar 2011-
Bühnenkritik:
„Projekt A-Baal“ - Ein Fiesling. Sonst
nichts.
Das TheaterAusbruch bringt in Kooperation mit dem Theater Aachen Brechts „Baal“ auf die Bühne einer leerstehenden Drogerie in Eilendorf. Regisseur Martin Goltsch und Dramaturg Lucas Popovic
kitzeln zusammen mit ihrem Ensemble das Böse des Menschens hervor. Eine Glanzleistung, vor allem von Protagonist Willi Ezilius.
Baal ist ein unglaublicher Fiesling. Er pöbelt, verführt die Freundin eines Kumpels, lässt sie dann fallen, holt sich Huren ins Haus, verdient kein Geld, stürzt seine Mutter ins Verderben und
bringt seinen besten Freund im Streit um. Achja, und er schreibt Gedichte. Und liebt die Natur. „Baal“ ist des Bürgertums überdrüssig und sucht jenseits aller Konventionen nach dem „echten“
Leben. Hierüber vergisst er alles Soziale, agiert ausnahmslos narzistisch und egomanisch.
Nach „Romeo & Julia“ im letzten Jahr nun ein sehr viel unzugänglicherer Stoff, den Martin Goltsch mit dem Projekt TheaterAusbruch auf die Bühne bringt. Willi Ezilius spielt den Baal – er
lässt keine einzige sympathische Ader an dem Ungeheuer aufkommen. Ist er alleine mit einer Frau im Raum, weiß man, dass nichts Gutes passieren wird. Ezilius erarbeitet sich eine totale
Bühnenpräsenz, er ist der, um den sich alles dreht, keine Szene ohne ihn. Er kitzelt das Böse aus Baal heraus.
Die freiheitsliebende Seite des Baal vermittelt der Regisseur primär durch Videosequenzen, die das Bühnenbild bestimmen. Windräder, die sich auf weiten Feldern drehen, ein Blätterwald, durch den
die Sonne glitzert, ein Maisfeld, durch das Baal und sein bester Freund Ekart ausgelassen rennen. Die filmischen Sequenzen vermitteln das Gefühl weiten Raums, lassen weitere Blicke in Baals Leben
zu, die Ezilius nicht zulässt. Ab und an erzählt er von seinen Gedichten, aber nur, um direkt danach wieder von „zittrigen Knien“, „Fleischeslust“ und der Durchschaubarkeit „seiner“ Frauen
anzufangen.
Stefan Dantchev spielt den Ekart, der die Taten seines Freunds nicht gutheißt, aber dennoch immer hinter ihm steht. Dantchev zeigt die Ohnmacht gegenüber Baal, die alle Menschen in seinem Umkreis
beherrscht – lieben und hassen und fürchten zur gleichen Zeit. Rosi Platzmann spielt eine verhärmte Mutter, die mit ansehen muss, wie ihr Sohn sich und auch sie zugrunde richtet. Ihre ständig
geduckte Haltung zeugt von unterschwelliger Angst. Auch alle anderen, vom schwulen Barkeeper John (Felix Brokbals) bis hin zur schönen Emilie (Eva Stolper) – Angstmache ist Baals Macht.
Die völlige Respektlosigkeit, mit der Baal durchs Leben geht, ist bisweilen schwer zu ertragen. Keine fünf Minuten vergehen auf der Bühne, ohne dass er physisch oder verbal handgreiflich wird.
Seine Gier nach einem völlig anarchischen Dasein ist unersättlich.
Die Frage bleibt offen: Warum findet ein solches Ungeheuer trotzdem immer wieder neue Anhänger? Die Frauen um ihn herum kommen immer wieder, seine Mutter schmeißt ihn nicht raus, und sein Freund
Ekart bleibt ihm treu, bis dass er Baals Messer im Bauch hat. Goltsch sucht in seiner Inszenierung gar nicht erst nach Antworten. Er lässt es nicht zu, Baal als armen Teufel anzusehen, der von
der Gesellschaft vernachlässigt ist. Sondern Goltsch zeigt: Es gibt eben Menschen, die einfach durch und durch fies sind. Da können auch Gedichte, Tollereien im Maisfeld und Turteleien zu „How
Deep is your love“ nichts dran ändern.
Text: Barbara Taxhet
TheaterAusbruch
Regisseur Martin Goltsch hat 1998 das „TheaterAusbruch“ ins Leben
gerufen. Seit Anfang an geht es darum, in freien Theaterprojekten genreübergreifend zu arbeiten. Goltsch arbeitet zum Großteil mit Laienschauspielern, greift Projekte mit Menschen aus schwierigen
sozialen Verhältnissen auf, setzte aber eben auch auf Kooperationen mit profesionellen Häusern. „Baal“ ist nach Schillers „Räubern“ und Shakespeares „Romeo & Julia“ nun schon die dritte
Zusammenarbeit mit dem Theater Aachen. Im letzten Jahr war die Nadelfabrik Spielort, diesmal eine leerstehende Drogerie neben der Gaststätte „Lindenhof“ in Eilendorf.
Super Mittwoch
Nr.51/2010
22.12.2010
Privat ist er ein Lieber
Stadttheater und Theaterausbruch mit
Brechts „Baal“
Eilendorf. Jeder, der „Baal“ gesehen hat, ist versucht, Hauptdarsteller
Willi Ezilius kräftig die F... zu polieren.
Denn mit hässlichen Tätowierungen, Prollkette und fiesem Grinsen verkörpert er derart authentisch Bertolt Brechts saufendes,
vergewaltigendes Scheusal „Baal“, dass der Abstand zwischen Schauspieler und Rolle praktisch verschwindet.
„Projekt A“ nennt sich die Zusammenarbeit des Theater Aachen und des „TheaterAusbruch“, der ungewöhnliche Orte zur Bühne macht. Da es mit der geplanten Autowerkstatt nicht geklappt hat, ist der
Saal des „Lindenhofs“ in Eilendorf nun Spielort. Aber auch dieser schlichte Saal bietet mit seinem Werkshallencharme den idealen Ort, um Brechts Frühwerk vom asozialen „Genie“ Baal, dem die
Kunstkritik huldigt, was ihn aber nicht hindert, die Frau seines Verlegers zu benutzen, zu inszenieren.
„Baal“ ist das wilde und vollkommen undisziplinierte Genie, das sich dem spießbürgerlichen Geniekult entgegenstellt. Auch die anderen Schauspieler -allesamt amateure- überzeugten wie
beispielsweise Naomi Kean als naives, kokettes Mädchen Johanna, die von Baal „verbraucht“ wird.
Gleichfalls überzeugend auch die Musik von harten Klängen Rammsteins und David Bowies bis zu den „Vögelein vom Tittikakkasee“, zu denen „Baal“ in seiner Lustversessenheit eine Polonaise
anzettelt.
Diese Inszenierung überzeugt auch dann, als Baal einmal kurz aus der Rolle des Asozialen ausbricht und seine Mutter betrauert. Kein Wunder, dass das Publikum die Akteure mit dem verdiensten
Applaus beschenkt hat. Dieser „Baal“ ist unbedingt sehenswert.
Ach ja: privat ist Willi Ezilius übrigens niemand, der andere zu Aggressionen reizt, im Gegenteil. Er ist ein ganz Lieber. „Der Willi ist echt einer zum Knuddeln“, verrät Regisseur Martin
Goltsch. (upp)
Fr, 10. Dez. 2010
Aachener Zeitung
„Baal“: Was fasziniert an diesem Ekel?
Projekt A führt mit Laien Brechts provokantes Erstlingsdrama über einen asozialen Typen auf. Theater Aachen trifft „Theater Ausbruch“.
Von Sarah Sillius
Aachen. Ein asozialer Typ. der trinkt, der hurt – und der dichtet. Ein hemmungsloser Egoist. Der demütigt, zerstört und sagt „Ich kann nicht anders.“ Doch Baal wird von der „besseren
Gesellschaft“ gefeiert. Warum fliegen alle auf ihn? Was macht die Faszination dieses Ekels aus? „Wir sind nicht dahinter gekommen, aber es ist ein Phänomen, mit dem es sich auseinanderzusetzen
lohnt“, sagt Dramaturg Lukas Popovic über Bertholt Brechts provokantes Erstlingsdrama „Baal“.
Es ist das nächste Stück, das er mit Regisseur Martin Goltsch und Spielpädagogin Brigitte Köhr auf die Bühne bringt. Nach den Erfolgen von „Die Räuber“ und „Romeo und Julia“ ist es die dritte
Kooperation von Theater Aachen und „Theater Ausbruch“. Was als Projekt für das Aachener Ostviertel begann, nennt sich mittlerweile Projekt A. „Das A mag für außerhalb stehen“, sagt Popovic, legt
sich aber nicht fest. Fest steht: Die 23 Darsteller sind Laien – aus allen Teilen Aachens, 12 bis 67 Jahre alt, ein Querschnitt durch alle sozialen Schichten. Laien, die unter Profibedingungen
arbeiten, die sich für Theater begeistern. „Über 18 Monate haben 100 Leute mitgewirkt, von denen am Ende 23 übrig geblieben sind“, beschreibt Brigitte Köhr den Auswahlprozess. Sie und Popovic
beschreiben es als besondere Herausforderung, mit Laien zu arbeiten. Ihnen die großen Gesten abzugewöhnen, die sie glauben imitieren zu müssen. Ihre schauspielerische und persönliche Entwicklung
mitzuerleben.
Es sei ein vergleichsweise schwieriges Projekt, meint Popovic. „Weil nicht alle Figuren eine Entwicklung durchleben. Nur Baal. Alles andere erschließt sich assoziativ.“ Baal wird gespielt von
Willi Ezilius, der schon bei den letzten beiden Projekten mitgespielt hat. „Ohne ihn hätten wir das Stück nicht gemacht. Ohne zu wissen, dass er das schultern und packen kann“, ist der Dramaturg
überzeugt.
Assoziieren könne der Zuschauer mit dem Inhalt des Stück vieles, was aktuell ist. Prominente Beispiele aus der Popkultur etwa? Popovic will da nicht vorgreifen, will dem Zuschauer die
Interpretation überlassen. Auch die Schauspieler haben sich mit „Baal“ auseinandergesetzt, besonders intensiv bei einem gemeinsamen Wochenende in Belgien. Popovic war überrascht, mit wie viel
Fantasie sich auch die Kinder eine Meinung über die Figuren gebildet hatten. Die Proben seien „eine offene Geschichte“ gewesen. In die Inszenierung von Martin Goltsch, die er aus den
verschiedenen Brecht-Fassungen erarbeitet hat, durften auch Ideen der Darsteller einfließen. Natürlich habe das Grenzen – schließlich dürfe man die Brecht-Erben mit einem allzu innovativen Ansatz
nicht verärgern. Aber eines ist bei der Bühnenfassung anders als in der Lektüre: Sie ist weniger brutal. Und nicht alle werden dem unberechenbaren Baal – so viel kann verraten werden –
unterliegen.
Di, 7. Dez. 2010
Aachener Nachrichten
Das Alpha-Tier im Ladenlokal
Theater Aachen und TheaterausBruch zeigen Brechts „Baal“ in Eilendorf
Von Werner Breuer
Aachen. Gestatten, Baal: Trinker, Dichter, Egoist. Er spannt seinem Gönner die Frau aus, schläft mit der jüngeren Freundin eines Bewunderers, die sich seinetwegen schließlich in einen Bach
stürzt, er schwängert eine Frau und will sie anschließend loswerden, schließlich ersticht er im Streit noch seinen Freund. Dieser Kotzbrocken ist die Hauptfigur des gleichnamigen Stücks von Bert
Brecht, das nun das Theater Aachen zusammen mit „TheaterausBruch“ auf die Bühne bringt. Na, ja, Bühne: Gespielt wird in einem ehemaligen Ladenlokal in Eilendorf.
Warum hier? Und warum gerade Baal? Und wieso ausgerechnet in der besinnlichen Adventszeit? Zufall sei das, sagt Dramaturg Lukas Popovic, zumindest ein bisschen. Dass die Premiere des provokanten
Dramas gerade auf das dritte Adventswochenende falle, sei beim Start des gemeinsamen Projekts mit TheaterausBruch und 23 Laiendarstellern im Sommer vergangenen Jahres noch nicht absehbar
gewesen.
Und die Räume eines ehemaligen Drogeriemarktes an der Eilendorfer Von-Coels-Straße haben die Theaterleute auch eher gefunden als gesucht. Beim „Außenprojekt A“, erklärt Theater-Verwaltungsleiter
Udo Rüber, wolle man weg vom angestammten Haus und rein in die Quartiere. Und so sahen sich die Macher nach einer passenden Spielstätte fernab des Musentempels um. „Platz für 99 Zuschauer,
beheizbar und mit Toiletten“, nennt Rüber das Anforderungsprofil. Gepasst hat das schließlich in jenem Raum, in dem das Aachener Theater in den 1970er Jahren seine Betriebsfeiern abhielt; damals
war es noch der Saal der benachbarten Gaststätte Lindenhof.
Hier empfängt das Theater nun jene angeblich „theaterfernen Schichten“, die so fern wohl gar nicht sind. Bei den letzten Ausflügen zusammen mit TheaterausBruch – Schillers „Räuber“ im Umspannwerk
an der Hüttenstraße und Shakepeares „Romeo und Julia“ in der Nadelfabrik am Reichsweg – war die Hütte voll, Popovic schwärmt noch jetzt von 27 ausverkauften Vorstellungen in der
Nadelfabrik.
Blick auf die Medienwelt
Nun also Baal. Das Schauspiel – 1918 von Brecht verfasst und 1923 uraufgeführt – hält Regisseur Martin Goltsch, der auch bei den Räubern und Romeo und Julia Regie führte, für „aktuell und
interessant, gerade mit Blick auf die Medienwelt“. Da tummeln sich haufenweise solche Egomanen. „Baal ist ein Alpha-Tier“, meint Goltsch, „aber warum fahren so viele auf ihn ab?“ Er sieht da
Parallelen zu den derzeit amtierenden Stars. Bushido & Co. würden da gefeiert, „je echter einer aus dem Leben zu kommen scheint, desto besser“. Fasziniert von dem Stoff seien auch die
Darsteller, berichtet Goltsch, und das sei eine ziemlich „heterogene Gruppe“. Neben Willi Ezilius in der Hauptrolle, der auch schon zuvor bei TheaterausBruch mitgespielt hatte, sind die meisten
übrigen Laienschauspieler „frisch gecastet“. Dabei kam es dem Regisseur auf die „emotionale Intelligenz an“. Spielfreude, Engagement und der Zugang zum Stück sind ihm wichtig. „Dafür sprechen
manche etwas zu leise“, sagt Goltsch, aber das kriegt dann Brigitte Köhr schon in den Griff.
Sie kümmert sich um die Spielpädagogik, was bei einer bunt gemischten Truppe aus allen Altersgruppen schon eine Aufgabe für sich ist. Seit anderthalb Jahren proben sie nun schon gemeinsam.
Anfangs ging es nur an den Wochenenden, „da sind ja Berufstätige und Schüler dabei“, sagt Popovic. Nicht nur eine gemeinsame Freizeit auf einem Bauernhof stärkte den Zusammenhalt. Diese spezielle
Kombination von Theater und Pädagogik habe auch schon außerhalb Aachens Interesse geweckt, berichtet Regisseur Goltsch.
Die Premiere von „Baal“ ist am Samstag, 11. Dezember, um 20 Uhr in Eilendorf an der Von-Coels-Straße 167, weitere Aufführungen gibt es am 17. und 18 Dezember um 20 Uhr und am 19. Dezember um 18
Uhr. Das Stück soll bis Ende Januar laufen.
SENIO Magazin, Nummer 37, Januar 2011
DAS PROJEKT A - BAAL
Keine leichte Kost bietet die Kooperation von Theater Aachen und THEATERausBruch dem Publikum mit der Aufführung von „BAAL“ an, dem provokativen Erstlingsdrama von Bertolt Brecht (1898-1956).
Brecht hat dieses Stück als Zwanzigjähriger vor über 90 Jahren verfasst - von seiner Aktualität hat es bis heute nichts eingebüßt.
Abgründe tun sich auf. Wo bleibt der gesunde Menschenverstand, wenn ein Typ, der so schlecht ist wie Baal, viele Bewunderer hat? Dieser Narzisst, der Gedichte schreibt, wird als besonderer
Künstler gefeiert. Dabei nimmt sich der Asoziale ohne Rücksicht auf Verluste Frauen, sogar Minderjährige, und ist auch dem eigenen Geschlecht nicht abgeneigt.
Das Ekel säuft, hurt, schändet, treibt Menschen in den Selbstmord und tötet. Seine arme verhärmte Mutter beschwichtigt der Egoist mit dem Versprechen, ein besserer Mensch zu werden und sich
Arbeit zu suchen. Nach einem Gefängnisaufenthalt nimmt er das alte Leben wieder auf. So viel Kummer kann seine Mutter nicht verkraften. Sie stirbt daran.
Das 20-köpfige Darstellerteam im Alter von 12-67 Jahren besteht aus Laienschauspielern. Wenige von ihnen haben schon bei Theaterprojekten mitgemacht. Monatelang wurde geprobt und Spielfreude,
Körpergefühl, Ausdruckskraft, Sprechtechnik, Bühnenpräsenz sowie der Zugang zum Stück erarbeitet. Möglich gemacht hat dies das bewährte Team: Martin Goltsch (Inszenierung und Ausstattung),
Brigitte Köhr (Spielpädagogik) und Lukas Popovic (Dramaturgie). Schon Schillers „Räuber“ und Shakespeares „Romeo und Julia“ waren in der Vergangenheit vielbeachtete und hoch gelobte Projekte der
Kooperation von Theater Aachen und THEATERausBruch. „Senio“ nahm an der Generalprobe von„Baal“ teil und war beeindruckt. Textsicher und handlungsbewusst versetzen die Akteure die Zuschauer in das
zweifelhafte Milieu um Baal. Willi Ezilius verkörpert hervorragend diese Figur, zeigt sämtliche Nuancen von Arroganz über Größenwahn bis hin zur Zerrissenheit. Er ist umgeben von vielen jungen
und älteren Schauspieltalenten, die teilweise mehrere Rollen ausfüllen. Das Stück, das schon im Dezember erfolgreiche Aufführungen erlebte, wird getragen von: C. Arndt, B. Aydin, C. Baluch, F.
Brokbals, S. Dantchev, H. Ehlen, W. Ezilius, L. Fois, L. Hoff, J. Jaworowski, N. Kean, D. Lodder, T. Müller, L. Overbach, R. Platzmann, H. Rhode, C. Schwanen, A. Simon, E. Stolper und F. Werhan.
Kostüme, Masken, Technik, Beleuchtung, Musik und Videoprojizierung auf Leinwand machen die Aufführung rund.
Das Theaterprojekt wird gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes NRW, der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit Bildung Kultur NRW e.V., dem Jugendförderungswerk der Sparkasse Aachen, der
Theaterinitiative Aachen und dem Kiwanis Club Aachen. Im Januar 2011 wird Baal am 08., 09., 14., 15., 28., 29., in Eilendorf, Von-Coels-Str. 167 (Ladenlokal neben Lindenhof) aufgeführt. Der
Eintritt kostet 12 €, ermäßigt 7 €.
Von Christine Kluck/ Heinrich Kluck
Super Sonntag
10.Oktober 2010
Ausbruch mit Profis
Festes Ensemble gibt es nicht
Aachen. Das „THEATERausBruch“ führt Amateure und Profis an unmöglichen Orten
zusammen.
„Es macht Spaß, einmal ein richtiges Schwein zu spielen“, sagt Willi Ezilius. Der Fußbodenleger spielt den Baal, den asozialen Dichter und Proleten in Brechts Frühwerk.
Theaterausbruch heißt das innovative Theaterprojekt, das Martin Goltsch 1998 gegründet hat und ein ungewöhnliches Konzept hat: Theater muss raus von der Bühne und hin zu ungewöhnlichen Orten. So
gab es „Romeo und Julia“ in der alten Rhein-Nadel-Fabrik am Reichsweg und Schillers „Räuber“ im Umspannwerk in „Rothe Erde“. Und es gibt (fast) kein festes Ensemble. Nur ganz wenige wie eben
Willi Ezilius haben schon mehrmals mitgespielt.
Die meisten Schauspieler wie etwa die zwölfjährige Burcu hat Martin Goltsch gecastet. Und durch Mundpropaganda, Zeitungsannoncen und direkte Ansprache kommt jedes Jahr eine ganz bunte Truppe mit
den verschiedensten sozialen und biographischen Hintergründen zusammen, um professionelles Theater zu machen. Und genau das mache auch den Reiz des Theaters aus, meint Schauspielerin Andrea
Simon. Denn in so einer Gruppe muss man eben experimentieren, damit die Aussage des Stückes so sitzt, dass sich jeder damit wohlfühlt. Und genau das hat auch Intendant Michael Schmitz-Aufterbeck
vom Stadttheater gereizt, der auf der Suche nach einem Partner aus der freien Szene war. Seit nunmehr drei Spielzeiten steht das Theater Aachen mit Pressearbeit, Technik, Kostümen und natürlich
mit Dramaturg Lukas Popovic den „Ausbrechern“ mit Rat und Tat zur Seite. „Projekt A“ nennt sich die Zusammenarbeit.
Und dem Profi, der in Dramaturgie und Auswahl die „Ausbrecher“ unterstützt, macht die Arbeit mit den Amateuren auch richtig Spaß. Und denen auch die Arbeit mit dem Profi, denn Willi Ezilius hat
sogar sein Kind „Lukas“ genannt.
Der Ort, wo „Baal“ dichten und huren wird, ist übrigens noch unbekannt. Martin Goltsch und seine Mitstreiter sind noch auf der Suche nach einer passenden KFZ-Werkstatt, die dem
Automechaniker-Dichter „Baal“ und seinen Kollegen, Bewunderern und Feinden das passende Ambiente verschafft. (upp)
Sa, 18. Sep. 2010
Aachener Zeitung
Der „Asoziale“ braucht rund 400 Quadratmeter
Theater Aachen und „Theaterausbruch“ suchen neue Spielstätte – wieder an ungewöhnlichem Ort. Das neue Projekt befasst sich mit „Baal“ von Bertolt Brecht. Favorisiert wird Halle mit
Werkstattcharakter für rund 100 Zuschauer.
Von Peter Motz
Aachen. Haus- und Grundbesitzer aufgepasst: Junger Single ohne festes Einkommen, selbsternannter Schriftsteller mit Schwäche für Wein, Weib und Remmidemmi sucht Herbst-/Winterquartier in Aachen.
Klingt das nicht verführerisch? Doch! Denn der Suchende ist ein Herzensbrecher, wie er im Buche steht – bei Bertolt Brecht. „Baal“ ist sein Name. Seine Geschichte bringen „Theaterausbruch“ und
Theater Aachen bald auf die Bühne – eine passende suchen sie noch.
Rund 400 Quadratmeter brauchen Baal und seine „Freunde“, schätzt Udo Rüber, Verwaltungsdirektor und Geschäftsführer des städtischen Theaters. Dieses kooperiert zum dritten Mal mit dem freien
„Theaterausbruch“. Vor vier Jahren brachte man im ehemaligen Umspannwerk an der Hüttenstraße Schillers „Räuber“ auf die Bühne, vor zwei Jahren belebte man mit Shakespeares „Romeo und Julia“ die
ehemalige Rheinnadel-Fabrik am Reichsweg. Das Theater an ungewöhnlichen Orten wurde begeistert angenommen, von Publikum wie Akteuren gleichermaßen. Letztere sind Laien, oft sogar ohne passive
Theatererfahrung.
Dahin, wo die Realität wehtut
Menschen an die Schauspielkunst heranzuführen, ist eine der Grundideen des Projekts. Eine andere ist, mit dem Spiel dort hin zu gehen, wo die Realität öfter wehtut als anderswo. Schauplatz der
ersten beiden Produktionen war das Ostviertel. Jetzt erweitert man den Fokus. Schwierige Milieus seien schließlich auch andernorts in Aachen zu finden, sagt Regisseur Martin Goltsch. Unterstützt
durch Lukas Popovic inszeniert er „Baal“. Dieser, ehemaliger Dramaturg vom Theater Aachen, schätzt die vielen Assoziationsmöglichkeiten, die das Brechtsche Frühwerk erlaube.
Das fast 100 Jahre alte Schauspiel dreht sich um einen im wahren Sinne Asozialen, um die gegenseitige Hassliebe zwischen dem Außenseiter und der „feinen“ Gesellschaft. Natürlich wirkt das heutig.
Und ehrlicherweise kommen einem flott ein paar Öcher Ecken in den Sinn, wo sich derartige Geschichten heute abspielen. Doch sachte: Die Theaterkooperation mit dem Namen „Projekt A“ betreibt zwar
auf ihre Art Milieustudien und betreibt kulturelle Integration. Das aber als „Asozialentheater“ zu bezeichnen“, ist nicht nur geschmacklos, sondern auch falsch.
Spiegelbild der Gesellschaft
Es soll Menschen geben, die diese Worte benutzen. Und es gab Teilnehmer, die das Projekt aus Furcht vor Stigmatisierung verließen. Das sei verraten in diesen „Thilosophie“-Zeiten. Die Wahrheit
ist: Das aktuelle Schauspielensemble ist ein Spiegelbild der gesamten Gesellschaft. Das Team reicht von Schülern über Lehrer, Hilfskräfte und Arbeitsuchende bis hin zu pensionierten Akademikern,
das Alter von 12 bis 67 Jahren, erklärt Spielpädagogin Brigitte Köhr. Jeder bringt seine Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten mit ein. „Expertentheater“ nennt das Udo Rüber.
Dieses „Expertentheater“ sucht nun also einen adäquaten Proben- und Aufführungsraum. Dieser sollte Platz für eine Bühne nebst Hinterbühne fürs Schminken sowie für Garderobe und Requisiten bieten.
Knapp 100 Zuschauer sollten dazu hineinpassen, für Aufführungen an den Wochenenden im November und Dezember, bei Erfolg auch Anfang des kommenden Jahres. Die Proben (abends) laufen schon, schön
wäre für die Macher deshalb ein möglichst baldiges Angebot.
Ihren Vorstellungen am nächsten käme eine Halle mit Werkstattcharakter – ob in Betrieb oder nicht. Funktionierende sanitäre Einrichtungen müssten allerdings vorhanden sein.
Mi, 3. Jun. 2009
Aachener Nachrichten
Die Grenze zwischen Bühne und Publikum fällt zum dritten Mal
Neues Projekt nach den „Räubern“ und „Romeo und Julia“ geplant
Von Martina Rippholz
Aachen. Im Normalfall funktioniert Theater so: Kulturinteressierte füllen die Publikumsränge. Auf der Bühne präsentieren professionelle Schauspieler ein Stück. Die Rollen sind klar getrennt, nur
selten wird die Grenze zwischen Zuschauern und Mimen durchlässig.
Mit dem neuen Projekt des Theaters Aachen und der Initiative Theaterausbruch soll nun genau das geschehen, zum dritten Mal. Denn zweimal ist der Kooperation diese Grenzüberschreitung bereits
geglückt. Zuerst mit Schillers „Räuber“ im ehemaligen Umspannwerk in Rothe Erde und dann – erst vor zwei Wochen beendet – mit Shakespeares „Romeo und Julia“ in der Rheinnadel-Fabrik. Ausverkaufte
Vorstellungen bis zum Schluss zeugten von dem großen Erfolg der beiden Produktionen mit Laienschauspielern aus dem Aachener Osten.
Nun wagen es die Macher erneut. In der Spielsaison 2010 soll es wieder eine Inszenierung außerhalb des Theaterhauses geben. Wieder werden interessierte Menschen gesucht, die bei der Aufführung
mitspielen wollen. Und wieder wird keine Bühnenerfahrung vorausgesetzt. Doch im Vergleich zu den vorhergegangenen Stücken hat sich etwas Grundlegendes geändert: Das neue Projekt geht über den
Stadtteil Aachen-Ost hinaus. Die potenziellen Mitwirkenden können auch aus anderen Stadtteilen kommen. „Wir wollen uns diesmal für ganz Aachen öffnen und so offen sein für etwas ganz Neues“, sagt
Martin Goltsch, Regisseur bei Theateraufbruch.
„Wir wollen uns diesmal für ganz Aachen öffnen und so offen sein für etwas ganz Neues.“
Martin Goltsch, Regisseur Theaterausbruch
Etwas ganz Neues probieren Goltsch und seine Kollegen auch hinsichtlich der Herangehensweise. Denn: Bisher stehen weder Spielort noch Bühnenstück fest. „Wir haben derzeit mehrere Möglichkeiten im
Kopf“, sagt Lukas Popovic, Dramaturg am Aachener Theater. „Jetzt werden erstmal die Schauspieler gesucht. Danach richtet sich dann alles weitere.“ Und dazu gehört natürlich auch die passende
Location. Ein Industrieraum zum Beispiel. „Wer einen solchen Raum hat, und sich eine Aufführung darin vorstellen kann, kann sich gerne bei uns melden.“
Wichtig ist Popovic, Goltsch und der pädagogischen Leiterin des Projekts, Brigitte Köhr, auch, dass die Inszenierung nicht mit Laientheater gleichgesetzt werden darf. „Das wird keine
Freizeitbespaßung. Die Denkrichtung ist eine künstlerische“, erklärt Goltsch. „Deshalb wird es intensive Proben, aber auch Einführungen in das Werk geben.“ Doch zunächst einmal müssen die
künftigen Mimen aus Aachens Bevölkerung nur eines mitbringen: Lust am Spielen.
Fr, 5. Jun. 2009
Aachener Zeitung
Abenteuer Bühne geht weiter:
Mimen gesucht
Projekt A bittet junge Darsteller und solche, die es werden möchten, zum Casting. Theaterlaien sind ausdrücklich willkommen, um die Erfolgsgeschichte des „Projekt Ost“ in die ganze Stadt zu
tragen. Stück und Ort noch offen.
Von Christoph Classen
Aachen. Was für ein Stück sie spielen werden, ist noch nicht klar. Wo das Ganze dann über die Bühne geht, steht bislang nicht fest. Sicher ist nur: Mit dem „Projekt Ost“, das kürzlich in „Projekt
A“ umbenannt wurde, geht es weiter. Und dafür werden zunächst einmal neue Schauspieler gesucht.
Ein Casting soll weiterhelfen. Am Sonntag, 7. Juni, 15 Uhr, werden Schauspielaspiranten in der Cafeteria des Mörgens, Mörgensstraße 34, unter die Lupe genommen. Mitmachen kann jeder,
Bühnenerfahrung spielt keine Rolle. Wer sich durchsetzt, kann am neuen Kapitel einer Erfolgsgeschichte mitschreiben.
Angefangen hatte sie unter dem Namen „Projekt Ost“ vor rund vier Jahren. Das Theater Aachen fand im Theater Ausbruch einen Kooperationspartner für ein Vorhaben, dessen Ansatz gewagt erschien. Mit
Laiendarstellern wollten sie Stücke auf die Bühne bringen, deren künstlerische Ansprüche nicht hinter denen professioneller Produktionen zurückstehen. Und es funktionierte. „Die Räuber“ wurde im
Umspannwerk gezeigt, „Romeo und Julia“ in der ehemaligen Rheinnadelfabrik. Zusatzvorstellungen waren ausverkauft, Kritiker jubelten, sogar das Fernsehen berichtete.
So soll es weitergehen. Allerdings mit einem kleinen Unterschied. Im Gegensatz zu den bisherigen Produktionen werden die Schauspieler nicht explizit im Ostviertel gesucht, sondern im gesamten
Stadtgebiet. Das soll auch der neue Name, Projekt A, deutlich machen. „Wir wollen niemand mehr wegschicken, nur weil er aus dem falschen Viertel kommt“, sagen Ausbruch-Regisseur Martin Goltsch
und Brigitte Köhr, die für die pädagogische Begleitung zuständig ist.
Das zuerst die Darsteller und danach Stück und Spielort ausgesucht werden, ist Teil des Konzepts, sagt Lukas Popovic. „Wenn Ort und Stück schon vorgegeben sind, engt man sich total ein“, meint
der Stadttheater-Dramaturg, der als Verbindungsmann des Hauses zum Projekt A fungiert. So soll es aber eben nicht sein. Klar, die Verantwortlichen haben schon ein paar Stücke im Kopf, aber
letztlich wird das ausgesucht, das zu den Darstellern passt.
Die sollten sich darauf einstellen, dass die Bretter die die Welt bedeuten, eine Menge Arbeit machen. Ein langer Prozess sei die Entwicklung eines Stückes und ohne intensive Proben funktioniere
es eben nicht, sagt Goltsch und unterstreicht den eigenen Anspruch: „Das was wir machen wollen, ist keine Laientheater.“
„Wir wollen niemanden mehr wegschicken, nur weil er aus dem falschen Viertel kommt.“
Martin Goltsch, Regisseur
Zwei Fragen an:
Martin Goltsch, Regisseur beim Projekt A
Was muss ich machen, um bei Ihrem nächsten Stück auf der Bühne zu stehen? Goltsch:
Erstmal am kommenden Sonntag, 7. Juni, ins Mörgens zum Casting kommen. Möglichst unverstellt und Sie sollten Spaß am Spiel haben.
Gibt es weitere Voraussetzungen?
Goltsch: Ja, Offenheit für Menschen und
Themen und am Ende sicher auch Durchhaltevermögen. Grundsätzlich führen wir die Leute erstmal auf sich selbst zurück, bevor wir starten. Und bei uns gibt es keine unwichtigen Rollen. Nur welche
mit mehr und andere mit weniger Text.