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Romeo und Julia

nach William Shakespeare

Stück und Projekt

Nach dem erfolgreichen Beginn des Projekts Aachen-Ost mit der aktuellen Interpretation von Schillers »Die Räuber« in der Spielzeit 06/07 haben sich das Theater Aachen und THEATERausBruch in dieser Saison wieder einen großen Theaterklassiker als Vorlage ausgesucht. Shakespeares »Romeo und Julia« bietet für eine zeitgemäße Umsetzung ideale Voraussetzungen.

Die Konflikte zwischen und innerhalb zweier Familienclans, die durch die Liebe zweier junger Menschen entstehen, die aus gesellschaftlichen Zwängen nicht zueinander finden dürfen, sind täglich präsent und führen zu furchtbaren Konsequenzen.

In der Interpretation von Regisseur Martin Goltsch ist es eine türkische und eine deutsche Familie. Alle Schauspieler sind wie beim letzten Mal speziell für dieses Projekt ausgesucht worden und eng mit dem Ostviertel verbunden.

Nach dem Umspannwerk ist auch für »Romeo und Julia« mit den Räumlichkeiten der Firma Rhein-Nadel im Reichsweg wieder ein besonderer Spielort im Viertel gefunden worden, der sich speziell für dieses Projekt eignet.

 

Stück

Mit ihren gewalttätigen und rassistischen Auseinandersetzungen terrorisieren die Montagues und die Capulets die Stadt. Die Straßenkämpfe der kleinkriminellen deutschen und türkischen Gangs haben sich wie ein Geschwür insbesondere über das multikulturelle Viertel gelegt, das allen eine Heimat bieten soll. Sozialarbeiter und Polizei versuchen mit verständnisvollen oder restriktiven Maßnahmen, die öffentliche Ordnung wieder herzustellen.

Beim integrativen Fest der Kulturen jedoch kommt es zum Eklat. Nach Provokationen der Montagues fühlen sich die Capulets beleidigt und in ihrer Ehre verletzt. Die verhassten Gangs vereinbaren einen nächtlichen Kampf, der eine Entscheidung über die Vorherrschaft in den Straßen des Viertels bringen soll.

Zwischen den vorurteilsgeprägten und hasserfüllten Konflikten lernen sich auf dem Fest jedoch auch unerwartet zwei junge Menschen kennen und kommen sich näher: die türkische Julia Capulet und der deutsche Romeo Montague. Bei ihren heimlichen Treffen entdecken sie nicht nur ihre Liebe füreinander, sondern beginnen eine berührende Reise in eine jeweils andere und fremde Kultur.

Ihre angstgeprägten Annäherungen werden vor allem durch Julias Bruder Tybalt bedroht, der zwischen traditionellen Moralvorstellungen der Familie, sozialen Problemen und Zukunftsplänen seine eigene Identität sucht. Aus Respekt vor dem Vater unterstützt er die Heiratspläne der türkischen Familie mit dem reichen Paris, der für Julia soziale Absicherung und familiäre Ehre verheißt.

 

Als Romeo den nächtlichen Kampf zu schlichten versucht, gerät er zwischen die Fronten. Sein streitsüchtiger Jugendfreund Mercutio wird beim Messerkampf mit dem jähzornigen Tybalt tödlich verletzt. Das Blut aller Beteiligten kocht über. Noch in der Nacht überschlagen sich die Ereignisse in einem explosiven Gemisch. Das Tempo nimmt zu. Angst. Hass. Rache. Ehre. Flucht. Wo wird die Zukunft der Liebenden hinführen?

 

Die Konflikte des großen Klassikers finden sich im Alltag heutiger junger Menschen wieder. So dient der Shakespeare-Stoff als Grundlage für eine aktuelle Umsetzung (Textfassung: Martin Goltsch). Dabei werden Träume, Ängste und Lebensfragen thematisiert, die sich in den gesellschaftlichen Erfahrungen und Lebenssituationen heutiger junger Menschen widerspiegeln. Das sprachliche Spiel mit Klischees, Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit verdeutlicht gleichzeitig die Sprachlosigkeit junger Menschen in konfliktbeladenen sozialen Milieus, wie sie auch in sogenannten bildungsfernen Milieus wie Aachen-Ost zu finden sind. Doch der Blick vom Rand der Gesellschaft provoziert auch den Blick in ihre Mitte. Fragen von Angst und Hass, Identität und Integration spannen sich hier vom Mikrokosmos alltäglicher Erfahrungen, Vorurteilen und Parolen in Benachteiligtenmilieus bis hin zum gesellschaftlichen Makrokosmos der sogenannten Parallelgesellschaften, Terrorbedrohungen und Kulturkämpfe. Was die gesellschaftlichen Diskussionen in dieser modernisierten Version vereint, ist die Frage nach der Zukunft und Identität unserer Kinder.

 

Projekt

Einen Schwerpunkt von THEATERausBruch bildet u.a. seit 2002 die Theaterarbeit in Aachen-Ost, einem sogenannten „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“. Zahlreiche, vor allem junge Menschen aus dem Stadtteil nahmen in den letzten Jahren an angebotenen Projekten, Kursen, Bildungs- und Freizeitangeboten teil. Dabei wurde mit den verschiedensten Institutionen kooperiert. Das von Theaterleiter und Regisseur Martin Goltsch sowie Fachlehrerin/ Dipl. Soz.päd. Brigitte Köhr entwickelte Konzept einer systematischen Verknüpfung von qualifizierter Theaterarbeit mit sozialpädagogischen und jugendkulturellen Ansätzen erregte über den künstlerischen Erfolg hinaus überregionale Aufmerksamkeit. Die Konzepte wurden zum Modell und Vorbild verschiedenster Institutionen und Projekte, da hier neue Wege jugend- , inter- und soziokultureller Arbeit in einem Benachteiligtenmilieu aufgezeigt und sehr erfolgreich umgesetzt werden konnten. Auch unter lernpädagogischen und integrativen Aspekten traf die Arbeit auf das besondere Interesse von Universitäten, Schulen und Jugendeinrichtungen. Die praktizierte Arbeit mit den jungen Menschen mit teilweise erheblichen individuellen, sozialen und multikulturellen Problemhintergründen hat eine enorme persönlichkeitsbildende Relevanz für die Beteiligten. Neben schulischen und beruflichen Schlüsselqualifikationen werden in hohem Maße soziale und multikulturelle Kompetenzen gefördert.

 

Im Jahr 2004 wurde die konzeptionelle Theaterarbeit von THEATERausBruch landesweit ausgezeichnet durch das Ministerium für Schule, Kinder und Jugend des Landes NRW sowie die Landesarbeitsgemeinschaft Kulturpädagogische Dienste/ Jugendkunstschulen NRW. In der Begründung wurde die hoch qualitative Verknüpfung von „künstlerischen, sozialpädagogischen und gesellschaftspolitischen Ansprüchen“ hervorgehoben. Die Inszenierung „Lysistrata“ (Leitung und Regie: Martin Goltsch / Pädagogisches Konzept: Brigitte Köhr) in Aachen-Ost wurde im Rahmen des „Jugendkulturpreises NRW“ preisgekrönt und mit dem Sonderlob der Jurys ausgezeichnet.

 

Das Theater Aachen und THEATERausBruch setzten in einer Kooperation die entwickelte Konzeption und nachhaltige Theaterarbeit in Aachen-Ost gemeinsam fort. Die Inszenierung von Schillers „Die Räuber“ (Regie: Martin Goltsch) in einer stillgelegten Industriebrache fand sehr großen Zuschauerzuspruch. Auch hier konnten wieder in besonderer Weise Zielgruppen und Publikumsschichten erreicht werden, die in der Regel als bildungs- oder theaterfern gelten. Der Erfolg des Projektes ist mit einem Imagegewinn des Stadtteils und seiner Beteiligten weit über das Ostviertel hinaus verbunden.

 

 

Eine Kooperation von

Theater Aachen & THEATERAUSBRUCH

 

 

Wir danken für die freundliche Unterstützung:

 

Aachener Nachrichten/ 25.4.2009:

„Wertvolle Arbeit“

5000 Euro für das Theaterprojekt Aachen Ost

Von Nina Krüsmann

 

Aachen. Mit „Romeo und Julia“ feiert das Theaterprojekt Aachen-Ost, eine Kooperation zwischen dem Theater Aachen und TheaterausBruch, in dieser Spielzeit große Erfolge. Davon zeigte sich auch der Kiwanis Club Aachen Urbs Aquensis beeindruckt und spendete prompt 5000 Euro.

„Von dieser Spende haben wir beide etwas. Die Förderung von Jugendlichen ist das wichtigste Ziel unseres Clubs und der kulturelle Austausch ist für unsere Mitglieder wertvoll“, betonte Kiwanis-Präsident Oliver Luitjens. „Das Theater leistet mit viel Liebe wertvolle Jugendarbeit –es wäre schade, so etwas Tolles nicht zu unterstützen“, sagte Jürgen Kratzenberg von Kiwanis.

Das Projekt will an ungewöhnlichen Aufführungsorten außergewöhnliches Theater bieten. Das Konzept ist dabei ebenso einfach wie gewinnbringend: Junge Leute, die größtenteils noch nie mit dem Theater in Berührung kamen, stellen begeisternde Aufführungen auf die Beine. Alle 19 „Romeo und Julia“-Aufführungen seit der Premiere im Oktober 2008 waren ausverkauft. Im Durchschnitt 20 Jahre alt sind die 17 jungen Leute, die größtenteils einen Migrationshintergrund haben.

Regisseur Martin Goltsch wählte mit diesem Klassiker einen Theaterstoff, der genug Potenzial für eine zeitgemäße und brisante Interpretation bietet. Arbeitslosigkeit, Liebeskummer, Generationenkonflikt und Gewalt –all die Schwierigkeiten aus dem Alltag der Jugendlichen im Ostviertel kommen in Shakespeares Schauspiel vor. In Goltschs Interpretation sind aus den Capulets und Montagues eine türkische und eine deutsche Familie geworden.

Ein Erfolgskonzept, das in Zukunft weiterverfolgt werden soll. „Aus dem Projekt Ost wird jetzt das Projekt A. Demnächst gehen wir auch in andere Stadtteile“, erklärte Lukas Popovic, Regisseur am Theater Aachen. „A“ stehe dabei für Aachen, Aufbruch und andere Assoziationen.

 

 

Aachener Zeitung/ 20.4.2009:

Verwandlung vom O zum A wird kräftig unterstützt

Kiwanis spenden 5000 Euro für Theaterprojekt. Gemeinsamer Weg beginnt.

Aachen. Aus dem Projekt Aachen-Ost wird das Projekt A. Nicht weil es darum geht, Buchstaben einzusparen, sondern weil die Kooperationsinitiative zwischen Stadttheater und „Theaterausbruch“ zukünftig auch andere Stadtteile bespielen wird.

„A steht für Ausbruch und Aufbruch“, sagt Dramaturg Lukas Popovic, der als Verbindungsmann des Stadttheaters zum „Theaterausbruch“ fungiert. So eine Neuausrichtung ist natürlich auch mit neuen Kosten verbunden. Deswegen kommt die 5000-Euro-Spende des Kiwanis Club Aachen Urbs Aquensis genau zur rechten Zeit. „Als wir das Projekt gesehen haben, da war es keine Frage, dass wir helfen“, sagt Club-Mitglied Jürgen Kratzenberg. Denn schließlich gehe es den Kiwanis bei ihrem Engagement stets um die Förderung von Kindern und Jugendlichen.

Reicht nicht für Busfahrkarten

Genau das ist es, was das Projekt A auszeichnet. Auch wenn es laut Martin Goltsch nicht immer einfach sei. „80 bis 90 Prozent unserer jungen Leute haben noch nie Theater gespielt“, sagt der „Theaterausbruch“-Regisseur. Und manchmal reiche das Geld der Schauspieler nicht für eine Busfahrkarte, um zu den Proben zu kommen.

Dem Erfolg des Theaterprojekts haben solche und ähnliche Widrigkeiten keinen Abbruch tun können. Die beiden bisherigen Inszenierungen, „Die Räuber“ und „Romeo und Julia“, waren so beliebt, dass jeweils eine zweite Staffel angeboten werden konnte. Die Kritiken waren glänzend.

Kratzenberg und seine Kiwanis-Kollegen sind jedenfalls überzeugt, dass sie das Geld gut angelegt haben. „Wir beginnen damit einen gemeinsamen Weg“, sagt Kratzenberg, dem einen engere Zusammenarbeit des Clubs mit dem Theaterprojekt vorschwebt. Vorstellbar seien beispielsweise Wohltätigkeitsaktionen auf der Bühne des Stadttheaters. (chc)