Lysistrata
nach Aristophanes
Pressespiegel
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Aachener Zeitung, 15.09.2003
«Lysistrata» als mutige Disko-Königin
Klassiker ganz anders: Premiere im Ostviertel
Von Monika Lembke
Aachen. Dass altgriechische Weltliteratur keineswegs überholt ist, merkten die Zuschauer zur Premiere von Aristophanes «Lysistrata» im Josefshaus. Gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Ostviertel gelang es Martin Goltsch, dem Leiter des Theater Ausbruch, zu zeigen, dass die Problematik des Anti-Kriegs-Klassikers aktueller denn je ist.
So sind die verfeindeten Völker heute Gangs, die ihre Macht beweisen wollen. Die Problematik ist im Ostviertel auch im wirklichen Leben bekannt. Doch zum Glück gibt es jemanden, der nicht tatenlos zuschaut: Lysistrata (Pia Okon) findet, dass 20 Jahre Krieg zwischen «Sparta» und «Athen» mehr als genug sind.
Also trifft sich die Athenerin mit gleichgesinnten Frauen in der «Akropolis» - so heißt nämlich die Disko, in der die moderne Inszenierung spielt. Zusammen mit der Spartanerin Lampito (Jessica Sessinou) beschließt Lysistrata, die Männer mit den Waffen der Frauen zu schlagen: «Kein Sex vor dem Frieden», heißt die Devise. Zunächst ernten die Frauen höhnisches Gelächter, jedoch machen sie den Männern mit der Erbeutung der Kriegskasse und ihrer sexuellen Enthaltsamkeit immer mehr zu schaffen.
Die Strategie der reizenden Damen geht auf
So geizen die jungen Schauspielerinnen in ihren Discooutfits nicht mit ihren Reizen und zeigen bei Tanzeinlagen, womit sie das angeblich starke Geschlecht erweichen wollen. Die Strategie geht auf. Schließlich hält es Kinesias (Willie Ezilius) nicht länger ohne seine Myrrhine (Eva Schlegel) aus und überzeugt die anderen Männer von den Vorteilen eines Friedensschlusses. Gefeiert wird - passend zur modernen Inszenierung - mit einem Tanz auf die Musik des Musicals «Grease».
Durch die Kombination der klassischen Textgrundlage mit frechen und zweideutigen Sprüchen versetzten die Schauspieler das Publikum in eine Welt zwischen Moderne und Antike, zwischen Lachen und Nachdenklichkeit.
Natürlichkeit der Akteure besticht
Die Textsicherheit, das schauspielerische Talent und vor allem die Natürlichkeit der 16- bis 28-Jährigen begeisterten im ausverkauften Josefshaus. Zwischen den Szenen klangen aus Lautsprechern Interviews mit Jugendlichen aus dem Ostviertel, in denen sie Problematiken wie Gewalt und Ausländerfeindlichkeit aufgriffen und brachten das Stück auch so in direkten Zusammenhang mit dem Ostviertel.
«Vor allem die Heterogenität der Teilnehmer machte die Arbeit sehr anstrengend», berichtete Goltsch über das Projekt. So nahmen Hauptschüler, Gymnasiasten, arbeitslose und berufstätige junge Menschen mit sechs Nationalitäten teil. Allen Schwierigkeiten zum Trotz kann der Regisseur auf ein gelungenes Projekt blicken, das sowohl Zuschauern als auch Beteiligten Spaß bringt.
Aachener Nachrichten, 15.09.2003
Das junge Ensemble „Theaterausbruch“ begeisterte mit seiner „Lysistrata“-Interpretation
Mit Liebesentzug zum Frieden
Von Nachrichten-Mitarbeiterin Carina Hansen
Aachen. Sind Frauen die besseren Männer? Zumindest wenn es um weibliche List anstelle roher Gewalt geht, hat die resolute Athenerin Lysistrata ihrem Gatten einiges voraus. Ihre Strategie: Konsequenter Liebesentzug solange, bis im verfeindeten Griechenland endlich Frieden herrscht.
Das „starke Geschlecht“ hat an diesem Abend im Saal des Josefshauses schon einiges auszuhalten. Frei nach Aristophanes ,,Lysistrata“ nehmen die jungen Schauspieler des Ensembles ,,Theaterausbruch“ die männliche Fraktion ordentlich auf´s Korn —sehr zum Vergnügen der Zuschauer.
Die Geduld aller Frauen Griechenlands ist schon lange am Ende: Während sie untätig zu Hause sitzen, führen ihre Männer gegeneinander Krieg und kommen alle paar Wochen einmal nach Hause. Kein Wunder, dass die Liebe da viel zu kurz kommt.
Herrlich berechenbar
Und weil ihre Gatten so herrlich berechenbar sind, schließen die Leidgeplagten rund um Anführerin Lysistrata (Pia Okon) einen Friedensvertrag auf eigene Art. Kein Schmusen mehr, kein Sex. Weibliche Totalverweigerung solange, bis sich die verfeindeten Männer endlich die Hände reichen. Denn, so die Überzeugung der Frauen: ,,Ihr braucht kein Schwert. Ihr braucht Verstand!“
Krieger Kinesias (Willie Ezilius) kapituliert als Erster und darf seine Myrrhine (Eva Schlegel) nach dem erbrachten Schwur endlich wieder in die Arme schließen.
Gelungen ist auch die ausverkaufte Premiere des Theaterprojektes unter Regie von Martin Goltsch. Rund ein Jahr probten die Jugendlichen aus dem Ostviertel das schwierige Stück. Jede Textpassage sollte sitzen.
Die Mühe hat sich gelohnt. Von Lampenfieber ist während der rund zweistündigen Aufführung nichts zu spüren. Die Spielfreude der jungen Protagonisten aber überträgt sich auch auf den Zuschauer. Dabei gestaltete sich die Vorarbeit zu dem aufwändigen Projekt zunächst alles andere als einfach. Mit einem Theaterkurs im Josefshaus wollte die Crew des 1998 gegründeten ,,Theaterausbruch“ Jugendliche für das Schauspielen begeistern. Der gewünschte Nebeneffekt: Statt aufeinander loszugehen, sollten die jungen Erwachsenen ganz unterschiedlicher Herkunft gemeinsam auf der Bühne stehen und endlich Frieden schließen.
Die Resonanz: Wollten zunächst 84 Jugendliche auf die Bühne, so blieb schließlich eine wesentlich kleinere Gruppe zurück. Doch hier hat das Experiment funktioniert. Denn: ,,Der Krieg verlangt Gelächter, um durchschaut zu werden.“
Aachener Zeitung, 06.10.2003
-„jaz“: junge aachener zeitung-
Immer diese Männer!
„Lysistrata“ ist spritziges Theater
Was man nicht alles für den Frieden tut. Die einen demonstrieren und wenden Gewalt an, die anderen beten oder versuchen das Problem auszudiskutieren. Im verfeindeten Griechenland hilft keines dieser Mittel mehr. Die Athener und Spartaner kämpfen schon seit 20 Jahren und die Frauen bekommen ihre Geliebten nur noch selten zu Gesicht. Ihr einziger Wunsch: endlich Frieden! Aber wie? Unter Anführung der Athenerin Lysistrata schließen die Frauen einen teuflisch-cleveren Plan...
Gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Aachener Ostviertel hat Martin Goltsch, Leiter des Theaters ,,Ausbruch“ in Aachen, das Stück ,,Lysistrata“ von Aristophanes zeitgemäß inszeniert.
Die Heldin Lysistrata stiftet die Frauen dazu an, den Männern so lange die Lust und die Liebe zu verweigern, bis diese sich bereit erklären, den Friedenspakt zu schließen. Mit Lippenstift, Maskara und knappen Tops besetzen sie die Diskothek Akropolis. Wäre da nur nicht das andere Geschlecht mit dem üblen Schweißgeruch, das nicht nachgeben kann und sich schon gar nicht von Frauen etwas befehlen lässt. ,,Von einer Frau gezwungen, was für eine Erniedrigung!“ Es sind schließlich ,,nur“ Frauen. Lysistrata ist ein wunderbares Theaterereignis, das man unbedingt gesehen haben muss. Es ist witzig, spritzig und super gespielt! Das Stück nach Aristophanes entstand 441 v. Chr., und sowohl der Text als auch das Thema wurden erfolgreich in unsere heutige Zeit übertragen. Dass das Stück von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gespielt wird, macht es umso interessanter. Ich bin mir sicher, dass so mancher am Schluss seine Meinung über die Spezies Männer und Frauen ändern wird... Die ernste Frage nach dem Krieg in unserer heutigen Gesellschaft bleibt zwar immer noch erhalten, aber wie sagte Aristophanes doch so schön: ,,Der Krieg verlangt Gelächter, um durchschaut zu werden.“
Von jaz.-Reporterin Esra Güner (14)
Aachener Zeitung, 4.10.2003 -Theaterbeilage-
„Schauspiel muss Dialog provozieren“
Martin Goltsch inszeniert stets mit sozialem Blick
Von Jutta Katsaitis-Schmitz
Textsicherheit, schauspielerisches Talent und Natürlichkeit der jungen Schauspieler begeistern seit der Premiere der antiken Antikriegs-Komödie ,,Lysistrata“, frei nach Aristophanes in die Gegenwart versetzt, derzeit in der Aachener OT Josefshaus das Publikum. Die Inszenierung, in der Regie von Martin Goltsch, ist ein ungewöhnliches Projekt, das das Theater Ausbruch anpackte, um Jugendliche des Ostviertels zur sinnvollen Freizeitgestaltung an Schauspielerei und Theaterarbeit heranzuführen. „Dem Theater wohnt nun einmal eine politische, gesellschaftliche und geistesgeschichtliche Dimension inne, die Dialog und Veränderung provoziert“, so Goltsch, künstlerischer Leiter und Initiator des Theater Ausbruch, das sich vor fünf Jahren gegründet hat. Jugend muss für Jugend spielen, war sein künstlerisches Konzept bei ,,Lysistrata“. Ihm geht es bei der Arbeit um Inszenierungen für Kopf und Bauch, die nicht bei jedem Besucher Kunstverständnis voraussetzen. ,,Theater ist nichts Perfektes, Theater muss brüchig sein“, erklärt er seinen Standpunkt und die Namensgebung des Bühnenprojekts. Längst ist das variable Ensemble den Kinderschuhen entwachsen, ist doch ,,Lysistrata“ die bereits dritte Inszenierung. Goltsch (40), dessen Herz für das Theater schlägt, stand im Schülertheater zum ersten Mal auf den Brettern, die die Welt bedeuten, fasste mit 19 Jahren den endgültigen Entschluss, Regisseur zu werden. Er nennt sich selbst ein ,,Glückskind des Theaters“, denn rasch erhielt er am Neuen Theater in Hannover einen Vertrag als Regieassistent. Tschechows ,,Schwanengesang“ war seine erste Inszenierung. Er studierte Germanistik, Theologie und Theaterwissenschaften, erlaubte sich eine zehnjährige Theaterpause, trampte dennoch durch Deutschlands Theaterwelt und fand sich als Pädagoge wieder.
Seit neun Jahren lebt Goltsch in Aachen, organisierte Theater-Workshops, fand in Brigitte Köhr eine gleichgesinnte Mitstreiterin, gewann in ihr, Thomas Lange, Andreas Heitkamp und Reiner Herrmann bühnenbesessene Mitbegründer für das Theater Ausbruch. Sophokles‘ ,,König Ödipus“ sollte die erste Inszenierung werden. Intensive Recherchen vor Ort führten ihn nach Delphi in Griechenland. Immer tiefer wurde sein Verständnis für die Aussage des antiken Künstlers. Doch die Umsetzung scheiterte an Raum und Geld. So ging als erstes Franz Kafkas ,,Ein Bericht für eine Akademie“ über die ,,Heimspielbühne“ beim Theater 99, wurde zum Selbstläufer, führte zu Tourneen, unter anderem nach Paderborn, Neuss und Düsseldorf. Es folgte die Bearbeitung und Inszenierung von Wolfgang Vinckes ,,Kunst.Fehler“. Daneben gab es eine Ausstellung mit Theaterfotografien und eine ,,bespielte“ Ausstellung. Nun eben ,,Lysistrata“. Goltsch nimmt sich Zeit für seine Inszenierungen, plant und begleitet sie mit Werkstattbüchern, ,,beschult“ Amateure bis zur Perfektion.
,,Ich muss nicht inszenieren, ich darf“, lautet seine Devise. Seine Leitbilder sind Claus Peymann und Franz-Xaver Kroetz. Noch hat sich Goltsch nicht entschieden, ob das nächste ein Tschechow-Abend oder der ,,Ödipus“ sein wird.
SUPER MITTWOCH, 10.09.2003
Theater – Junge Leute aus acht Nationen fiebern Premiere entgegen
Signale der Verständigung
Griechischer Klassiker „Lysistrata“ in neuem Gewand.
Aachen (tis). Ein ungewöhnliches Theaterprojekt, das im September vergangenen Jahres in der Offenen Tür (OT) Josefshaus gestartet wurde, erlebt seinen vorläufigen Höhepunkt: Am Samstag, 13. September, 19.30 Uhr findet die Premiere statt, der die 14 jugendlichen Spieler selbstbewusst, aber dennoch mit Lampenfieber entgegensehen. Aufgeführt wird ,,Lysistrata“, eine Komödie nach Aristophanes.
Die Inszenierung bringt den griechischen Anti-Kriegs-Klassiker in einer modernisierten Variante auf die Bühne. Regie führt Martin Goltsch, künstlerischer Leiter beim ,,THEATERausBruch“. Er, Brigitte Köhr, Reiner Herrmann und Wolfgang Vincke waren die Initiatoren des Projektes, das junge Menschen des Ost-Viertels aus acht Nationen und acht Schulen zusammenführte. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 18 Jahren. Sie sind Abiturienten oder Hauptschüler, Arbeitslose oder kommen aus den unterschiedlichsten Berufen.
,,Dem Theater wohnt eine politische, gesellschaftliche und geistesgeschichtliche Dimension inne, die Dialog und Veränderung provoziert“, erklärt Goltsch. Und so steuerten plötzlich junge Menschen ein gemeinsames Ziel an, die sonst kaum ein Wort miteinander gewechselt hätten.
Dimension
,,Was sind das für Chaoten“, dachte Dirk Fröhling (23), als er das erste Mal an den Proben teilnahm. Inzwischen konnte er feststellen, dass die jungen Leute hier ,,eine Chance fanden, gemeinsam mit anderen die Freizeit sinnvoll zu nutzen, anstatt auf der Straße rumzulungern“. Der mathematisch-technische Assistent war seiner Freundin Christina Schramm (19) aus der Spielschar zuliebe eingesprungen, weil männliche Darsteller fehlten.
,,Die jungen Türken stoßen bei ihren Landsleuten auf wenig Verständnis und auf Spott, wenn sie Theater spielen wollen“, betont Goltsch. Drei Mal hatte er in den verflossenen zwölf Monaten wegen mangelnder Disziplin, Unpünktlichkeit und wegen Konzentrationsmängeln der Theatereleven ,,das Handtuch werfen wollen“, liegt dieser Spielkurs doch weit über dem Schultheaterniveau und stellt entsprechende Anforderungen. Doch von Probe zu Probe ,,britzelte“ es mehr und die 14 Spieler, die von den anfänglich 48 bei der Stange geblieben sind, identifizieren sich längst mit ihren Rollen und wollten durchhalten.
,,Mit unserem Projekt wollen wir auch Impulse für Nachhaltigkeit vermitteln“, so Goltsch. Pia Okon (17) spielt als Lysistrata die Hauptrolle. Sie besitzt bereits Theatererfahrung von der Grundschule her. Auch die 18-jährige Jessica Sessinou gehörte am Geschwister-Scholl-Gymnasium einer Theater-AG an. Mit 16 Jahren aber ist Derya, eine junge Türkin, das Nesthäkchen. Unterstützt wird das Theaterprojekt insbesondere durch die OT Josefshaus, das Stadtteilbüro Aachen-Ost, das Geschwister-Scholl-Gymnasium und die Hauptschule Aretzstraße.
Aachener Zeitung, 06.09.2003
Theater und neue Freunde
Jugendliche begegnen sich bei „Lysistrata“ im Ostviertel
Aachen. ,,Kein Sex vor dem Frieden!“ Was sehr modern klingt -schließlich sind ähnlich lautende Formulierungen im mitteleuropäischen Kulturkreis immer seltener zu hören - ist sinngemäß schon über 2000 Jahre alt und stammt aus der Feder von Aristophanes. ,,Lysistrata“ nannte er damals seine Komödie, in der die Frauen ihre Männer durch einen besonders geschickten Kunstgriff vom Kriegstreiben abhielten: Erzwungene Enthaltsamkeit. Seine Botschaft hat es bis in die Gegenwart geschafft. Und was sie brauchte, um für das Publikum des ,,THEATERausBruch“ im Ostviertel aufgepäppelt zu werden, hat eine ganz besondere Gruppe junger Schauspieler besorgt.
,,Vor allem zu Beginn gab es eine ganze Menge interner Probleme zu lösen - vom Inhalt des Stückes gar nicht mal so weit entfernt“, erinnert sich Martin Goltsch, der Leiter des Theaters. Die kurz vor ihrer Premiere stehenden Schauspieler sind nämlich keinesfalls Profis, sondern Jugendliche aus dem Ostviertel - Durchschnittsalter 17 Jahre. Erschwerend kam noch hinzu, dass sie sich zum größten Teil vor Beginn der Proben kaum kannten, sich wohl wegen ihres unterschiedlichen Umfeldes auch ohne das Projekt nie kennen gelernt hätten. ,,Inzwischen arbeiten bei uns Hauptschüler und Gymnasiasten wie selbstverständlich Hand in Hand“, macht Uwe Brand, Sozialarbeiter im Stadtteilbüro Ost, auf seinen Part bei dieser Kooperation aufmerksam. Das gemeinsame Ziel - die Premiere - habe die eigentlich sehr heterogene Gruppe weit mehr als erwartet zusammengeschweißt. Von insgesamt 48 Teilnehmern, die irgendwann mit dem Projekt zu tun hatten, hat sich ein ,,harter Kern“ von 14 Schauspielern herauskristallisiert, die auch alle im Stück auftreten werden. ,,Zwischen uns hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt“, heißt es dazu einhellig.
Wie weit dieser Zusammenhalt geht, ist schon jetzt an handfesten Ergebnissen zu erkennen. So erzählt Darsteller Dirk Fröhling amüsiert, wie er - ebenso wie alle anderen - beim Kulissenbau geholfen hat. ,,Auch so lernt man eine Menge über Theater“.
Bei der Reise des eigentlichen Stückes in die Gegenwart hatten die Protagonisten ebenfalls noch ein Wörtchen mitzureden. Statt der Burg ,,Akropolis“ benutzen die weiblichen Friedenstruppen lieber eine gleichnamige Diskothek als Unterschlupf, weniger die Kriegs- als vielmehr die Abendkasse gilt es vor den wütenden Männern zu verteidigen. ,,Einzig bei der Sprache sind wir nicht ganz so weit gegangen, wie ursprünglich gedacht“, merkt Goltsch an. Zwar seien zahlreiche Dialoge umgeschrieben worden, zuviel ,,Jugendsprache“ habe aber auch den Schauspielern nicht mehr gefallen.
Premiere ist am Samstag, 13. September, 20 Uhr, danach folgen noch weitere zehn Aufführungen im Stadtteil. Karten gibt es bei der OT St. Josef im Kirberichshofer Weg 6a, im Stadtteilbüro Aachen-Ost, Hüttenstraße 94, sowie an allen Zweigstellen des Aachener Zeitungsverlages.(sma)
Aachener Nachrichten, 12.09.2003
Ostviertel-Jugendliche zeigen Komödie nach Aristophanes
Lysistrata in der Disco
Von Nachrichten-Mitarbeiter Georg Dünnwald
Aachen (an-o) - Ein Jahr lang haben sie Texte gelernt, geprobt, gehämmert, gezimmert - jetzt zittern sie der Premiere entgegen. Das Theater "Ausbruch" ermöglicht 14 Jugendlichen aus dem Ostviertel, das Stück "Lysistrata" nach Aristophanes aufzuführen.
Durch den "Nachrichten"-Artikel "Die ersten Gangs sind schon aktiv", der zu Silvester 2001 erschien, und sich mit den Problemen der Jugendlichen im Ostviertel befasste, kamen die Betreiber des Theater "Ausbruch" auf die Idee. Der Entschluss war schnell gefasst: "Wir müssen im Ostviertel etwas tun."
Etwas blauäugig gingen die Theatermacher an die Sache heran, sie wollten mit den Jugendlichen aus dem Quartier rund um St. Fronleichnam und St. Josef ein Theaterstück einüben. 84 junge Menschen zwischen 16 und 28 Jahren meldeten sich, zuguterletzt blieben 14 Mädchen und Jungen übrig.
Schwierigkeiten, die Jugendlichen bei der Stange zu halten, wurden gemeistert, auch gegen Widerstände in Elternhäusern mussten Argumente gefunden werden. Einige der jungen männlichen Türken seien auf Macho-Tour gewesen, sagt Brigitte Köhr vom Theater "Ausbruch": "Wie, spielste im Stück mit, biste schwul?", sei geflügeltes Wort dieser Möchtegern-Männer gewesen, so Köhr.
In Neuzeit verlegt
Am Samstag, 13. September, 19.30 Uhr, ist Premiere des Stücks "Lysistrata" im Josefshaus, Kirberichshofer Weg 6a. Die klassische Komödie verlegten die Protagonisten kurzerhand in die Neuzeit.
Geht es im Original um die Krieger der Städte Sparta und Athen, deren Frauen ihnen wegen des Krieges den ehelichen Verkehr verweigern - spielt das Stück der Jugendlichen aus dem Ostviertel in der Diskothek "Lysistrata". Jugendgangs und schicke junge Damen sind die Grundlage der Geschichte.
Aachener Nachrichten, 29.03.2003
Theaterausbruch zeigt eine moderne "Lysistrata"
Aristophanes zieht's in die Disko
Von Nachrichten-Mitarbeiter Arnd Gottschalk
Aachen (an-o) - Das Theater Ausbruch steckt mitten in einem ambitionierten Projekt: Mit Jugendlichen soll das Stück "Lysistrata" nach Aristophanes auf die Bühne gebracht werden.
Für den September ist die Premiere im Jugendzentrum St. Josef geplant. Dabei gebe es vielerlei Unwägbarkeiten, so Brigitte Köhr vom Leitungsteam des Theaters. Denn die Jugendlichen, die zum größten Teil aus dem Ostviertel stammen, seien es "nicht gewohnt, regelmäßig zu erscheinen".
Und harte Arbeit ist vonnöten, um ein Theaterstück aufzuführen. Es geht nicht nur darum, Texte auswendig zu lernen, Kostüme zu schneidern und ein Bühnenbild zu bauen, auch das Stück muss erst einmal für die Aufführung angepasst werden.
Zwar sind der Geschlechterkampf und die Frage von Krieg und Frieden, die von Aristophanes beschrieben werden, durchaus aktuell, aber weil die Aufführung vor allem Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen soll, wird derzeit an einer zeitgemäßen und modernen Bearbeitung des Textes gefeilt. Die Handlung wird aus dem alten Athen in eine Disko namens "Akropolis" verlegt, die Sprache wird behutsam modernisiert.
Federführend ist der künstlerische Leiter des Theaters, Martin Goltsch. Ihm kommt auch die Aufgabe zu, den jungen Frauen und Männern die Geheimnisse der Schauspielkunst näher zu bringen. Die Kurse laufen seit September, derzeit sind noch 19 Jugendliche dabei. Die meisten sind über das Jugendzentrum zu der Theatergruppe gekommen, einige auch von den Schulen im Ostviertel.
Aber das Theater versteht diese Arbeit nicht nur auf einer künstlerischen Ebene, es geht nach den Worten von Brigitte Köhr auch um ein "politisches und soziales Konzept".
Die Jugendlichen, die meist aus schwierigen Verhältnissen stammten, müssten lernen, sich einem Gruppenprozess zu unterwerfen. Und wenn das klappt, feiert "Lysistrata" im September Premiere.
Aachener Zeitung, 06.02.2003
Ostviertel auf der Bühne: «Lysistrata» in der Diskothek
„THEATERAUSBRUCH“ arbeitet mit Jugendlichen
Von Hans-Peter Leisten
Aachen. Die Akropolis wird zur Diskothek, die Athener und Spartaner heißen plötzlich Mahmut, Jusuff, Melanie oder auch Denis, gehören verschiedenen Jugend- oder Szenegruppen an - und ihre «Waffen» sind moderne Macho-Manieren und martialisches Muskelspiel.
Aristophanes, der Meister der altgriechischen Komödie, würde sicherlich heftig applaudieren, wenn er die Interpretation seines Stückes «Lysistrata» sehen könnte. Und vermutlich auch dem «TheaterausBruch» zu seiner Idee gratulieren.
Einer Idee, die gleichsam wie die beiden Masken von Komödie und Tragödie kulturelle und soziale Ansätze in wirkungsvoller Symbiose vereint. Oder ganz knapp ausgedrückt: Jugendliche und junge Erwachsene machen richtig Theater. Was durchaus wörtlich verstanden werden darf, denn was derzeit im Josefshaus am Kirberichshofer Weg abgeht, ist aller Bühnenehren wert.
Als glückliche Fügung darf man es bezeichnen, dass mit den Verantwortlichen des «TheaterausBruch» und Uwe Brandt zwei Partner mit einer Wellenlänge aufeinander trafen.
Denn Brandt betreut nicht nur als Sozialarbeiter das Stadtteilbüro Aachen-Ost, er ist auch Schauspieler und spitzte sofort beide Ohren, als Brigitte Köhr, Martin Goltsch, Reiner Herrmann und Wolfgang Vincke vom «TheaterausBruch» ihre Projektidee für das Ostviertel vorstellten.
In Richard Okon, dem Leiter der Offenen Tür Josefshaus, fanden sie den Partner vor Ort - die Idee konnte Realität werden.
Die Grundzüge der Geschichte sind schnell erzählt: Der anhaltende Krieg zwischen Athenern und Spartanern nervt die Athenerin «Lysistrata» derart, dass sie die Frauen der verfeindeten Parteien und unterschiedlichen Volksgruppen versammelt und für ihre Idee gewinnt: Die Frauen wollen ihren Männern solange jegliche Sexualität verweigern, bis diese untereinander Frieden schließen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, bringen sie die Kriegskasse in ihren Besitz.
In der aktuellen Interpretation schart «Lysistrata» die jungen Frauen in einer Diskothek um sich, die über 2000 Jahre alte Idee soll immer noch fruchten. Aus der Kriegskasse wird die Barkasse. Musik, Mode und Herkunft sind der Nährboden für Spannungen und Vorurteile, die in Gewalt münden.
In Kursen wurden die jungen Darsteller auf ihre anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet. Das Konzept ist dabei von Anfang an «prozesshaft angelegt», wie Brigitte Köhr betont.
«Die Jugendlichen haben bereits in den Vorbereitungskursen jede Menge gelernt. Konzentrationsschwächen wurden überwunden, heterogene Jugendgruppen zusammengeführt.»
Das ist eigentlich der soziale Schwerpunkt der Inszenierung. Denn dass eine Gruppe, die von Gymnasiasten bis zu Hauptschülern reicht, zu einer echten Gemeinschaft wurde, war zwar beabsichtigt, aber keineswegs garantiert. Insofern ist das erste Ziel bereits erreicht, bevor sich der Vorhang zum ersten Mal wirklich hebt.
Das «TheaterausBruch» scheut grundsätzlich als freies Ensemble keine Experimente und rekrutiert seine Mitglieder je nach Stück und Idee. Dies war von entscheidender Bedeutung, da bei der Aufführung von «Lysistrata» Menschen aus dem Ostviertel eben einen Ausschnitt aus ihrem Lebensumfeld darstellen sollten.
Und Martin Goltsch, Gründer und künstlerischer Leiter des «TheaterausBruch», ist heute zuversichtlich, dass dies gelingen wird: «Bei der Zusammenarbeit mit unerfahrenen Darstellern sind zwar künstlerische Abstriche unumgänglich. Dafür bekommt das Ganze eine enorme Authentizität. Und das ist auch wieder etwas Künstlerisches.»
Uwe Brandt sieht zudem durchaus Perspektiven für eine bleibende Wirkung der gemeinsamen Arbeit. Gymnasiasten, Hauptschüler, Gesamtschüler, Besucher der OT und nicht organisierte Teilnehmer - alles Leute aus dem Stadtteil - hätten zu einer wirklichen Gemeinschaft zusammengefunden. «Wer weiß, was draus wird...»
Das Team des Theaters selbst profitiert von der Arbeit, schließlich lernte man neue Grenzen und die schnelle Überwindung selbiger kennen. Schließlich investierten die Mitglieder eine ganze Menge selbst. Die direkte Mitwirkung der jungen Menschen vom handwerklichen bis zum künstlerischen Detail brachte manche Überraschung, die mitunter nur durch Teamgeist gemeistert werden konnte.
Doch die Mühe hat sich offensichtlich gelohnt. Denn kürzlich kam die Zusage, dass Mittel aus dem Stadtteilerneuerungsprogramm für das Ostviertel für die Bühnenumsetzung bewilligt wurden. Das bedeutet, dass die Arbeit auch zur Aufführung gelangt.
13 bis 15 Vorstellungen sind geplant, im September soll die Premiere im Jugendtreff Josefshaus stattfinden. Dann geht es ins Viertel zu verschiedenen Aufführungsorten, das Ostviertel soll nicht nur spielerisch eingefangen werden, sondern sich auch an zahlreichen Stellen wiederfinden.
«Viele sehen erst jetzt ganz neue Seiten ihres Viertels. Sie empfinden plötzlich die Kultur, die hier lebt» - auch in diesem Punkt sind sich die Protagonisten von «Lysistrata» einig.