Die Räuber
nach Friedrich Schiller
Stück und Projekt
„In der Gegend [...] rotteten sich vor nicht langer Zeit gefährlich schwärmende Jünglinge zusammen, und wollten nicht geringeres ausführen, als sich durch Mord, und Mordbrennerei auszuzeichnen, und einen Namen zu machen, oder dem großen Drange nachzugeben, Räuber und Mordbrenner zu werden.
Und welcher Anlaß konnte solche Unglückliche, in der Imagination versenkte Menschen verleiten, und sie auf den Grad von Ausschweifung zu bringen, wenn wir es aufs gelindeste benennen? >Sie wollten Schiller´s Räuber realisieren.<“
Im Jahre 1785 aus einer Rezension zu Friedrich Schillers Erstlingswerk „Die Räuber”
Eine Kooperation von
Theater Aachen & THEATERAUSBRUCH
Jugendkriminalität, Gewalt und Bandenbildung bilden in einem Stadtteil wie Aachen-Ost auch zur Zeit wieder aktuellen Anlass zu Auseinandersetzungen und Diskussionen.
Die Auseinandersetzung mit Jugendgewalt, Kriminalität und sozialen Konflikten ist jedoch nicht nur in einem sozialen Problemviertel wie Aachen-Ost bedeutsam, sondern greift in diesem Fokus gleichzeitig darüber hinaus ein gesellschaftliches und jugendpolitisches Thema von brennender Aktualität auf.
Für das Jahr 2005 verzeichnete die Jugendgerichtshilfe die in der Öffentlichkeit schockierende Zahl von 1405 straffällig gewordenen Jugendtätern in Aachen, davon 393 weiblichen Geschlechts. Die jungen Menschen begingen rund 3500 Straftaten mit einer Zunahme von 20 Prozent bei den so genannten Verbrechenstatbeständen. So haben sich in den letzten fünf Jahren die „schwereren Delikte“ wie Körperverletzung oder Raub mit 580 Fällen nahezu verdoppelt. Verantwortliche konstatieren dabei einen Wertewandel, bei dem inzwischen der Begriff „Eigentum“ von den jungen Menschen völlig anders definiert und Raub mit dem Begriff „Abziehen“ bagatellisiert wird. 81 Prozent dieser Raubdelikte werden von „Unter-21-Jährigen“ verübt, bei Körperverletzung liegt der Anteil bei 64 Prozent. Kinder und ältere Menschen sind zunehmend wehrlose Opfer brutaler Übergriffe und belegen eine sinkende Hemmschwelle junger Täter.
Sozialarbeiter, Polizei und Gerichte beklagen vor allem eine schockierend zunehmende Brutalität bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Ursachen scheinen vielfältig, insbesondere in einem sozialen Brennpunkt wie Aachen-Ost. Familienkonflikte, multikulturelle Integrationsprobleme, Arbeitslosigkeit und Armut werden zu Schwelbränden sozialer und gesellschaftlicher Perspektivlosigkeit. Sozialarbeiter beklagen eine zunehmende Bewaffnung und eine Bandenbildung, die gleichermaßen zur Identitätsfindung und als Familienersatz dient. Die Suche junger Menschen nach sich selbst findet statt in einer mediengeprägten Konsumwelt, aus der sie sich oft ohnmächtig ausgeschlossen fühlen. Können sie der Politik mit ihren Verheißungen von Bildung, Zukunft und sozialer Gerechtigkeit noch trauen?
Projekt und Kooperation
Im vergangenen Jahr entstand in Aachen-Ost ein außergewöhnliches Theaterprojekt. In einer Kooperation gewann das Theater Aachen den Regisseur Martin Goltsch und das Theaterensemble THEATERausBruch für ein gemeinsames Kooperationsprojekt. Die Theatermacher begaben sich gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dem Viertel auf die Spurensuche zu den Lebensträumen und -ängsten heutiger junger Menschen, die zwischen Gewalt, familiären Konflikten und sozialen Problemen ihre bedrohte Zukunft suchen. Dabei entstand schließlich eine Gruppe von jungen Menschen, die mit den sozialen Schwierigkeiten, multikulturellen Konflikten und Gewaltproblemen des Viertels bestens vertraut ist und viele dieser Probleme aus eigener Erfahrung kennt. Als unerfahrene Schauspieler wirken sie nun mit an einer professionellen Theaterinszenierung, die Träume, Sehnsüchte und Lebensfragen junger Menschen thematisiert.
Friedrich Schillers „Die Räuber“ diente als Grundlage für eine modernisierte Textfassung und eine aktuell erzählte Umsetzung, wie sie sich aus Sicht der jungen Leute in ihren gesellschaftlichen Erfahrungen, Lebenssituationen und Ängsten heutig widerspiegelt. In einem schwierigen und sensiblen Entstehungsprozess provozierte die Theaterarbeit für die Beteiligten auch eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensumfeld und sich selbst, theaterpädagogisch begleitet von Brigitte Köhr. Das spielzeitgemäße Motto „Expedition Heimat“ wurde zu so einer Reise zu den Innen- und Außenwelten junger Menschen in Aachen-Ost. Das Theaterprojekt erfährt auch durch den abenteuerlichen und unkonventionellen Aufführungsort in einem stillgelegten Umspannwerk eine stadtteilbezogene Verortung.